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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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zur Beute fiel, wie es das Heimweh ist, überrascht von der Ohnmacht der Millionen, abzumagern, und er schien so ernstlich angegriffen, daß Delphine im geheimen hoffte, Witwe zu werden. Sie hub an, ihren Gatten heuchlerisch zu beklagen, und schickte ihre Tochter in ihre Zimmer. Sie schlug ihren Gatten mit Fragen tot; er antwortete, wie die Engländer antworten, die vom Spleen befallen sind: er antwortete fast gar nicht. Delphine von Nucingen gab jeden Sonntag ein großes Diner. Sie hatte diesen Tag für ihre Empfänge ausersehen, als sie bemerkte, das; aus der großen Gesellschaft niemand ins Theater ging und daß dieser Tag ziemlich allgemein beschäftigungslos war. Der Ansturm der Kaufmanns- oder Bürgerklassen macht den Sonntag in Paris fast ebenso dumm, wie er in London langweilig ist. Die Baronin lud also den berühmten Desplein ein, um ihn, dem Kranken zum Trotz, konsultieren zu können, denn Nucingen sagte, er befände sich wundervoll. Keller, Rastignac, de Marsay, du Tillet und alle Freunde des Hauses hatten der Baronin zu verstehen gegeben, daß ein Mann wie Nucingen nicht unversehens sterben dürfte; seine ungeheuren Geschäfte erforderten Vorsichtsmaßregeln, man müßte unbedingt wissen, an was man sich zu halten hätte. Diese Herren wurden zu dem Diner eingeladen; ebenso der Graf von Gondreville, der Schwiegervater Franz Kellers, der Chevalier d'Espard, Des Lupeaulx, der Doktor Bianchon, derjenige unter Despleins Schülern, den er am meisten liebte, Beaudenord mit seiner Frau, der Graf und die Gräfin von Montcornet, Blondet, Fräulein Des Touches und Conti; schließlich auch Lucien von Rubempré, für den Rastignac seit fünf Jahren die lebhafteste Freundschaft empfand, wenn auch auf Befehl, wie man im Affichenstil sagt.
    »Den da werden wir nicht so leicht loswerden,« sagte Blondet zu Rastignac, als er Lucien schöner als je und entzückend gekleidet in den Salon treten sah. »Es ist besser, man macht ihn sich zum Freunde, denn er ist zu fürchten,« sagte Rastignac. »Der?« sagte de Marsay. »Ich erkenne als furchtbar nur die Leute an, deren Stellung klar ist, und die seine ist eher unangegriffen als unangreifbar! Lassen Sie sehen, wovon lebt er? Woher hat er sein Vermögen? Ich bin überzeugt, er hat an die sechzigtausend Franken Schulden.« »Er hat in einem spanischen Priester einen sehr reichen Gönner gefunden, der ihm wohlwill,« erwiderte Rastignac. »Er heiratet das älteste Fräulein von Grandlieu,« sagte Fräulein Des Touches. »Ja, aber«, sagte der Chevalier d'Espard, »man verlangt, daß er einen Landsitz von dreißigtausend Franken Rente kauft, um das Vermögen sicherzustellen, das er seiner Zukünftigen zuerkennen muß, und dazu braucht er eine Million, die man unter dem Fuß keines Spaniers findet.« »Das ist teuer, denn Klotilde ist recht häßlich,« sagte die Baronin.
    Frau von Nucingen nannte Fräulein von Grandlieu aus Affektiertheit bei ihrem Vornamen, als verkehrte sie, eine geborene Goriot, in dieser Gesellschaft.
    »Nein,« erwiderte du Tillet, »die Tochter einer Herzogin ist für uns Männer niemals häßlich; besonders dann nicht, wenn sie uns den Titel ›Marquis‹ und einen diplomatischen Posten mitbringt; aber das größte Hindernis für diese Heirat ist die sinnlose Liebe der Frau von Sérizy zu Lucien: sie muß ihm viel Geld geben.« »Es wundert mich nicht mehr, daß ich Lucien so ernst sehe; denn Frau von Sérizy wird ihm sicherlich keine Million geben, damit er Fräulein von Grandlieu heiratet. Er weiß gewiß nicht, wie er sich aus der Verlegenheit ziehen soll,« sagte de Marsay. »Ja, aber Fräulein von Grandlieu betet ihn an,« sagte die Gräfin von Montcornet, »und mit Hilfe des jungen Mädchens wird er vielleicht bessere Bedingungen erlangen.« »Was wird er mit seiner Schwester und mit seinem Schwager in Angoulême machen?« fragte der Chevalier d'Espard. »Aber«, erwiderte Rastignac, »seine Schwester ist reich, und er nennt sie heute Frau Séchard von Marsac.« »Wenn auch Schwierigkeiten vorhanden sind, so ist er doch ein recht hübscher Bursche,« sagte Bianchon, indem er aufstand, um Lucien zu begrüßen. »Guten Tag, lieber Freund,« sagte Rastignac, indem er einen warmen Händedruck mit Lucien tauschte. De Marsay grüßte kühl, nachdem er zuerst von Lucien begrüßt worden war.
    Vor dem Diner erkannten Desplein und Bianchon, die den Baron von Nucingen untersuchten, während sie mit ihm scherzten, daß seine Krankheit rein seelischer Natur war

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