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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Länder haben das so gut begriffen, daß der Satz: ›Sie wurden glücklich‹ alle Liebesabenteuer schließt. Daher kann man auch nur die Mittel erklären, durch die mitten in Paris dieses phantastische Glück zustande kam. Es war das Glück unter seiner schönsten Form: ein Gedicht, eine Symphonie von vier Jahren. Alle Frauen werden sagen: ›Das ist viel!‹ Weder Esther noch Lucien hatten gesagt: ›Es ist zu viel!‹ Schließlich war die Formel: ›Sie waren glücklich! ‹ für sie noch vielsagender als in den Feenmärchen; denn sie hatten keine Kinder. So konnte Lucien in der Gesellschaft kokettieren, sich seinen Dichterlaunen und – sagen wir es – dem Zwang seiner Lage überlassen. Er leistete während der Zeit, in der er langsam seinen Weg machte, ein paar Politikern heimliche Dienste, indem er an ihren Arbeiten mitwirkte. Er war darin sehr verschwiegen. Er besuchte viel den Salon der Frau von Sérizy, mit der er sich nach den Reden der Gesellschaft ausgezeichnet stand. Frau von Sérizy hatte Lucien der Herzogin von Maufrigneuse entführt, die, wie sie sagte, keinen Wert mehr auf ihn legte: ein Wort, durch das sich die Frauen wegen eines Glückes rächen, das ihren Neid erweckt. Lucien stand sozusagen im Angelpunkt des Almosenpflegeramts, und er war intim mit einigen Frauen, die mit dem Erzbischof von Paris befreundet waren. Als bescheidener und verschwiegener Mann harrte er geduldig. Daher enthielt denn auch das Wort de Marsays, der sich damals verheiratet hatte und der seine Frau zwang, das Leben Esthers zu führen, mehr als eine Anmerkung. Aber die heimlichen Gefahren der Lage Luciens werden im Verlauf dieser Geschichte deutlich genug hervortreten.
    So standen die Dinge, als in einer schönen Augustnacht der Baron von Nucingen vom Landgut eines in Frankreich ansässigen ausländischen Bankiers, bei dem er gespeist hatte, nach Paris zurückkam. Das Landgut liegt in der Brie, acht Stunden von Paris. Da nun der Kutscher des Barons sich gerühmt hatte, seinen Herrn mit seinen eigenen Pferden hin und zurück zu fahren, so nahm sich dieser Kutscher die Freiheit, als die Nacht gekommen war, langsam zu fahren. Beim Eintritt in den Wald von Vincennes waren Tiere, Leute und Herr in folgender Lage. Der Kutscher, dem man in der Küche des berühmten Geldautokraten freigebig zu trinken gespendet hatte, war vollständig betrunken und schlief, obwohl er, um die Vorübergehenden zu täuschen, die Zügel in der Hand hielt. Der Diener, der hinten saß, schnarchte wie ein deutscher Brummkreisel; denn Deutschland ist das Land der kleinen geschnitzten Holzfiguren, der großen Reinganum und der Kreisel. Der Baron wollte nachdenken, aber schon bei der Brücke von Gournay hatte ihm die Schläfrigkeit der Verdauung die Augen geschlossen. An der Schlaffheit der Zügel erkannten die Pferde den Zustand des Kutschers; sie hörten die dunkle Begleitmusik des Dieners, der hinten die Wache hatte; sie sahen, daß sie die Herren waren, und benutzten diese Viertelstunde der Freiheit, um nach eigenem Willen zu gehen. Als intelligente Sklaven gaben sie den Dieben Gelegenheit, einem der reichsten Kapitalisten Frankreichs die Taschen zu leeren, dem geschicktesten all derer, die man so derb ›Luchse‹ genannt hat. Und da sie die Herrschaft hatten und von jener Neugier angelockt wurden, die jeder bei Haustieren hat beobachten können, so blieben sie endlich auf einem Rondell stehen, und zwar vor andern Pferden, zu denen sie ohne Zweifel in ihrer Pferdesprache sagten: ›Wem gehört ihr? Was macht ihr? Gehts euch gut?‹ Als die Kalesche nicht mehr rollte, erwachte der entschlummerte Baron. Er glaubte im ersten Augenblick, daß er den Park seines Kollegen noch nicht verlassen hätte; dann überraschte ihn eine himmlische Vision, die ihn ohne seine gewohnte Waffe, die Berechnung, fand. Es herrschte so wunderbarer Mondschein, daß man hätte lesen können, selbst eine Abendzeitung. Im Schweigen der Wälder sah der Baron bei diesem reinen Licht eine einzelne Frau, die sich das Schauspiel dieser entschlafenen Kalesche ansah, während sie in einen Mietswagen stieg. Beim Anblick dieses Engels wurde der Baron von Nucingen wie von einem innern Licht getroffen. Als die junge Frau sah, daß sie bewundert wurde, zog sie mit einer erschreckten Handbewegung ihren Schleier herab. Der Jäger stieß einen Helfern Schrei aus, dessen Sinn der Kutscher sofort verstand, denn der Wagen schoß wie ein Pfeil davon. Der alte Bankier war in furchtbarer Erregung: das

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