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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aber; niemand konnte die Ursache erraten, so unmöglich schien es, daß dieser tiefe Politiker der Börse verliebt sein sollte. Als Bianchon keine andere Erklärung für den leidenden Zustand des Bankiers mehr fand als die Liebe und als er Delphine von Nucingen ein paar Worte darüber sagte, lächelte sie wie eine Frau, die seit langem weiß, woran sie sich bei ihrem Manne zu halten hat. Als man jedoch nach dem Diner in den Garten hinunterging, umringten die Intimen des Hauses den Bankier; denn da sie Bianchon behaupten hörten, Nucingen müßte verliebt sein, so wollten sie diesen außerordentlichen Fall aufklären.
    »Wissen Sie, Baron,« sagte de Marsay zu ihm, »daß Sie beträchtlich abgemagert sind? Und man hat Sie in Verdacht, daß Sie die Gesetze der Finanznatur vergewaltigen.« »Nimmals,« sagte der Baron. »Doch,« erwiderte de Marsay. »Man wagt die Behauptung, Sie seien verliebt.« »Recht hat mer,« erwiderte Nucingen jämmerlich. »Ich seifze um aine Unpegannte.« »Sie sind verliebt, Sie? ... Sie sind ein Geck!« sagte der Chevalier d'Espard. »Wenn mer ist verliept in mainem Alter, ist mer lächerlich; kanz kewiß; aber was wollen Se! 's is so!« »In eine Frau aus der Gesellschaft?« fragte Lucien. »Aber«, sagte de Marsay, »der Baron kann nur durch eine hoffnungslose Liebe so abmagern; er hat die Mittel, alle Frauen zu kaufen, die sich verkaufen wollen und können.« »Kenn'n tu ich se nich,« erwiderte der Baron, »Und jetzt kann ich es Ihnen sagen, denn Frau von Rischinguen ist im Salon: ich hab noch nie gewußt, was die Liebe ist. Die Liebe? ... Ich glaube, davon wird mer mager,« »Wo sind Sie dieser jungen Unschuld begegnet?« fragte Rastignac. »Im Wagen, nachts, im Wald von Vincennes.« »Ihre Personalbeschreibung?« sagte de Marsay. »Am Schabot aus weißer Kase, rotes Klaid, weißer Kürtel, weißer Schlaier ... Ain Kesicht, piplisch einfach! Feieraugen, orientalischer Täng.« »Sie haben geträumt!« sagte Lucien lächelnd. »Recht haben Se, ich schlief wie ain Sack ... ain voller Sack,« verbesserte er sich, »denn ich kam von ainem Tiner auf dem Landgut maines Freindes...« »War sie allein?« fragte du Tillet, indem er den Luchs unterbrach. »War se,« sagte der Baron mit leidender Stimme; »nur hintern Wagen ain Heiduck und aine Zofe.« »Lucien sieht aus, als kenne er sie,« rief Rastignac, da er ein Lächeln des Liebhabers der Fräulein Esther auffing. »Wer kennt nicht die Frauen, die imstande sind, um Mitternacht auszufahren und Nucingen zu begegnen?« sagte Lucien, indem er sich im Kreise umdrehte. »Auf jeden Fall ist es keine Frau, die in die Gesellschaft geht,« sagte der Chevalier d'Espard, »denn dann hätte der Baron den Heiducken wiedererkannt.« »Ich hab se kesehen noch nirgendwo,« erwiderte der Baron,» »und ich laß se suchen seit anderthalb Monaten von der Bolizei, die se nich findet.« »Lieber soll sie Sie ein paar hunderttausend Franken kosten, als das Leben; und in Ihrem Alter ist eine Leidenschaft, die keine Nahrung findet, gefährlich,« sagte Desplein; »man kann daran sterben.« »Ja,« gab Nucingen Desplein zur Antwort; »was ich esse, ernährt mich nicht, die Luft schämt mir tödlich; ich fahre in den Wald von Vincennes, um ßu sehn die Stelle, wo ich se kesehen habe! ... Un das is main Leben! Ich Hab nich können mich kimmern um die letzte Anlaihe; ich hab mich missen verlassen auf maine Kollägen, die hatten Mitlaid mit mir ... Um aine Million möcht ich die Frau kennen lernen; ich würd noch kewinnen dapei, denn ich keh nich mehr an die Pörse ... Fragen Se ti Dilet.« »Ja,« bestätigte du Tillet, »er hat einen wahren Abscheu vor den Geschäften; er wird anders, das ist ein Vorzeichen des Todes.« »Ein Sseichen von Liebe,« erwiderte Nucingen; »für mich ist das ain und dasselbe!«
    Die Naivität dieses Greises, der kein Luchs mehr war und der zum erstenmal in seinem Leben etwas Heiligeres und Geweihteres erkannte als das Gold, rührte diese Gesellschaft blasierter Leute: die einen tauschten ein Lächeln aus, die andern sahen sich mit einem Ausdruck an, als wollten sie sagen: ›Ein so starker Mensch, und dahin zu kommen!‹ Dann kehrten alle in den Salon zurück, indem sie von diesem Ereignis plauderten. Es war in der Tat ein Naturereignis, das die größte Sensation erregen mußte. Frau von Nucingen brach in Lachen aus, als Lucien ihr das Geheimnis des Bankiers entdeckte; aber als der Baron die Spöttereien seiner Frau hörte, nahm er sie am

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