Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
ihm dieses angebliche Ultimatum überbrachte. »Mein Schwager muß sein Glück gemacht haben,« bemerkte Lucien; »wir werden in ihm einen verantwortlichen Herausgeber finden.« »So fehlt also nur noch die Million,« rief Carlos aus; »ich werde darüber nachdenken.«
Luciens Stellung im Hotel Grandlieu erhellt am deutlichsten daraus, daß er nie dort gespeist hatte. Weder Klotilde noch die Herzogin von Uxelles, noch auch die Frau von Maufrigneuse, die sich stets ausgezeichnet zu Lucien stellte, hatten diese Gunst von dem alten Herzog erlangen können, so hartnäckig hing der Edelmann an seinem Mißtrauen gegen den Herrn von Rubempré. Lucien fühlte, daß er unter der ganzen Gesellschaft dieses Salons nur geduldet war. Die Gesellschaft hat das Recht, anspruchsvoll zu sein, sie wird so oft betrogen. In Paris eine Rolle zu spielen, ohne daß man ein bekanntes Vermögen oder eine eingestandene Erwerbsquelle besitzt, ist etwas, was sich vermöge keiner List lange durchführen laßt. Daher legte denn Lucien auch, je höher er stieg, dem Einwand: ›Wovon lebt er?‹ ein ganz besonderes Gewicht bei. Er hatte bei Frau von Sérizy, der er die Unterstützung des Generalstaatsanwalts Granville und eines Staatsministers, des Grafen Octavius von Bauvan, des Präsidenten eines Obertribunals, verdankte, sagen müssen: ›Ich stürze mich in furchtbare Schulden.‹
Als er den Hof des Hotels betrat, das die Rechtfertigung seiner Eitelkeit barg, sagte er mit Bitterkeit, indem er an die Überlegung Herreras dachte, bei sich selber: ›Ich höre alles unter meinen Füßen krachen.‹
Er liebte Esther, und er wollte Fräulein von Grandlieu zur Frau! Eine seltsame Lage! Es galt, die eine für die andere zu verkaufen. Ein einziger Mensch konnte diesen Schacher vornehmen, ohne daß Luciens Ehre darunter litt: dieser Mensch war der falsche Spanier; mußten sie nicht der eine wie der andere gleich vorsichtig sein, der eine dem andern gegenüber? Man findet im Leben nicht zwei Pakte dieser Art, in denen jeder abwechselnd Herrscher und Beherrschter ist.
Lucien verjagte die Wolken, die sein Gesicht umdunkelten; heiter und strahlend betrat er die Salons des Hotels Grandlieu. Die Fenster waren eben offen, die Wohlgerüche des Gartens durchdufteten den Salon; der Blumentisch, der die Mitte einnahm, zeigte dem Blick seine Blütenpyramide. Die Herzogin saß in einer Ecke auf einem Sofa und plauderte mit der Herzogin von Chaulieu. Mehrere Frauen bildeten eine Gruppe, die durch allerlei Haltungen auffiel, wie sie der verschiedene Ausdruck mit sich brachte, den eine jede unter ihnen einem gespielten Schmerz lieh. In der Gesellschaft interessiert sich niemand für ein Unglück oder ein Leiden, alles ist dort ein Wort. Die Männer gingen im Garten oder im Salon spazieren, Klotilde und Josephine waren um den Teetisch beschäftigt. Der Stiftsamtmann de Pamiers, der Herzog von Grandlieu, der Marquis von Ajuda-Pinto und der Herzog von Maufrigneuse spielten in einer Ecke ihren Whist. Als Lucien gemeldet wurde, durchschritt er den Salon und begrüßte die Herzogin, die er nach der Ursache der Betrübnis, die ihre Züge ausdrückten, fragte.
»Frau von Chaulieu hat soeben eine furchtbare Nachricht erhalten: ihr Schwiegersohn, der Baron von Macumer, der ehemalige Herzog von Soria, ist gestorben. Der junge Herzog von Soria und seine Frau, die nach Chantepleur gegangen waren, um ihren Bruder dort zu pflegen, haben das traurige Ereignis in einem Briefe gemeldet. Luise ist in einem herzzerreißenden Zustand.« »Eine Frau wird nicht zweimal in ihrem Leben so geliebt, wie Luise von ihrem Mann geliebt wurde,« sagte Magdalene von Mortsauf. »Sie ist eine reiche Witwe,« fuhr die Herzogin von Uxelles fort, indem sie Lucien ansah, dessen Gesicht seine Unbeweglichkeit bewahrte. »Die arme Luise!« sagte Frau d'Espard, »ich verstehe und beklage sie.«
Die Marquise d'Espard zeigte die versonnene Miene einer Frau von Seele und Herz. Obgleich Sabine von Grandlieu erst zehn Jahre alt war, hob sie das kluge Auge zu ihrer Mutter empor, die ihren fast spöttischen Blick sofort mit einem strafenden niederschlug. Das nennt man seine Kinder gut erziehen.
»Wenn meine Tochter diesen Schlag überlebt,« sagte Frau von Chaulieu mit der mütterlichsten Miene, »so macht ihre Zukunft mir Sorge. Luise ist sehr romantisch.« »Ich weiß nicht,« sagte die alte Herzogin von Uxelles, »woher unsere Töchter das haben!...« »Es ist heutzutage schwer,« sagte ein alter Kardinal,
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