Glanz
dem Krankenhaus entführt und ihn damit in Lebensgefahr gebracht. Und Sie sind drogenabhängig!«
Einen Moment war ich sprachlos. Hatte Maria ihm wirklich alles erzählt? War sie tatsächlich so naiv gewesen? »Das ist Unsinn!«, rief ich, doch Ignacius’ Lächeln machte klar: Wir beide wussten, dass er am längeren Hebel saß.
Sein Gesichtsausdruck wurde milde. »Mrs. Demmet, verstehen Sie doch: Ich will Ihnen und Eric nur helfen! Ich bin auf Ihrer Seite!«
Bevor ich protestierten konnte, schaltete sich Emily ein. »Was wollen Sie wirklich, Ignacius?«, fragte sie.
Er sah sie verblüfft an. »Was meinen Sie?«
»Sie haben von Anfang an ein ungewöhnlich großes Interesse für Eric gezeigt«, erwiderte Emily kühl. »Und jetzt laden Sie uns beide hierher ein, weigern sich aber gleichzeitig, uns mit Eric gehen zu lassen. Sie haben offensichtlich etwas vor. Etwas, wofür Sie unsere Kooperation brauchen. Ich habe nur noch nicht herausgefunden, was es ist.«
Der Arzt zögerte eine Sekunde, bevor er antwortete. »Sie täuschen sich, Mrs. Morrison. Alles, was ich will, ist, Eric …«
Emily funkelte ihn zornig an. In ihrer Stimme lag jene |318| natürliche Autorität, die mich von Anfang an beeindruckt hatte. »Hören Sie, Ignacius, wenn Sie etwas von uns wollen, dann müssen Sie mit offenen Karten spielen! Entweder Sie sagen uns, was wirklich hinter ihrem ›wissen schaftlichen Experiment‹ steckt, oder wir gehen auf der Stelle – und kommen das nächste Mal mit einem Anwalt wieder!«
Dr. Ignacius schwieg einen Moment. Sein Mund war zusammengepresst, seine Augen schmale Schlitze. Ich erwartete eine zornige Drohung, doch er behielt sich im Griff. Schließlich seufzte er. »Also schön. Kommen Sie mit. Ich zeige Ihnen die Klinik. Dann verstehen Sie vielleicht.«
Es widerstrebte mir zutiefst, Eric allein zu lassen, doch ich folgte dem Doktor gemeinsam mit Emily. Er führte uns in eine Art Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss, in dem sich mehrere Patienten der Klinik aufhielten. Einige saßen mit ausdruckslosen Gesichtern in Rollstühlen vor einem Fernseher, in dem Zeichentrickfilme liefen. Eine Frau Mitte zwanzig kniete auf dem Boden und schien die Fasern des Teppichs zu zählen. Ein dicker Mann, der Anfang dreißig sein mochte, spielte mit Legosteinen, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. An einem Holztisch saßen mehrere alte Menschen und malten mit Wasserfarben.
»All diese Menschen«, erklärte Dr. Ignacius mit Stolz in der Stimme, »waren einmal genauso apathisch wie Eric. Sie litten – und leiden immer noch – an unterschiedlichen Graden des sogenannten Apallischen Syndroms. Sie scheinen von der Außenwelt quasi abgeklemmt zu sein, nehmen ihre Umwelt kaum oder nur undeutlich wahr und können sich so gut wie nicht verständigen. Das Fresh Pond Institute ist eine der weltweit führenden |319| Institutionen bei der Erforschung des Apallischen Syndroms – und seiner Heilung. Wir haben hier eine Erweckungsquote von mehr als 60 Prozent, was weit über der normalen Erwartung liegt. Und dabei haben wir hier weiß Gott nicht die leichtesten Fälle!« Er sah mich direkt an. »Diese Erfolge haben wir nur erzielt, weil wir sehr systematisch erforschen, was im Inneren all dieser Menschen vor sich geht. Ihr Sohn, Mrs. Demmet, ist ein weiteres Puzzlesteinchen, das uns noch zu unserem Gesamtbild fehlt. Ein kleines, aber sehr wichtiges Steinchen!«
Was der Arzt sagte, klang sehr überzeugend. Doch ich spürte, dass es höchstens die halbe Wahrheit war.
»Was für eine Art von Untersuchung wollen Sie machen, während wir Kontakt zu Erics … Tiefenbewusstsein haben?«, fragte Emily. Mir entging nicht, dass sie den Begriff »Seele« gegenüber dem Arzt vermied.
»Kommen Sie mit«, sagte Ignacius. Er führte uns in einen Trakt auf der anderen Seite des Gebäudes. Hier gab es mehrere Untersuchungs- und Behandlungsräume voller elektronischer Apparate. In einem davon waren drei Liegen nebeneinander aufgebaut. Drei identische Regale mit Apparaturen standen jeweils am Kopfende der Liegen. Der Raum war durch ein Glasfenster mit einer Art Kontrollraum verbunden, in dem mehrere Computermonitore standen. Ein junger Arzt, der gerade dabei war, etwas in eine Tastatur einzugeben, sah auf. Er schien überrascht, uns zu sehen. »Geht es schon los?«, fragte er.
»Einen Moment noch, Swenson«, sagte Dr. Ignacius. »Fahren Sie mit den Vorbereitungen fort!«
Er wandte sich wieder an mich. »Das hier ist der Untersuchungsraum, den wir
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