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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Traum!«
    »Ich … ich erinnere mich nicht mehr genau …«
    »Du meinst, du willst dich nicht daran erinnern.«
    Ich zögerte. »Es … es war so real …«
    Emily nickte. »Wir müssen aufpassen, Anna. Diese verdammte Droge verändert deinen Bezug zur Realität. Vision und Wirklichkeit geraten immer mehr durcheinander. Vielleicht wäre es besser, wenn wir eine Pause einlegten. Nur zwei oder drei Tage, damit der Körper die Giftstoffe vollständig abbauen kann.«
    Ich setzte zum Protest an, fest davon überzeugt, dass wir keine Zeit verlieren durften, doch in diesem Moment klingelte es an der Tür. Eine ungute Ahnung befiel mich. Ich wollte Emily bitten, nicht zu öffnen, doch Maria war bereits zur Tür gegangen. »Sie?«, hörte ich ihre Stimme aus dem Flur.
    Ich erstarrte. Ich wusste, um wen es sich handelte, bevor ich Dr. Ignacius' raspelnde Stimme erkannte. »Ich möchte gern mit Mrs. Demmet sprechen.«
    »Ich weiß nicht, wen Sie meinen«, sagte Maria. »Hier wohnt keine Mrs. Demmet. Dies ist die Wohnung von Paul und Emily Morrison. Es tut mir leid, aber ich fürchte, Sie haben sich in der Adresse geirrt.«
    »Sparen Sie sich die Mühe, Maria. Ich weiß genau, dass der Junge und seine Mutter hier sind!«
    »Gehen Sie bitte! Dies ist die Wohnung meiner Tante! Sie haben kein Recht, hier hereinzuplatzen!«
    »Maria, ich bin gekommen, weil ich mir große Sorgen um den Jungen mache. Sie sind Krankenschwester. Sie wissen, dass er medizinische Versorgung braucht, nicht wahr? Und Sie wissen, dass Sie allein das nicht im nötigen Umfang leisten können. Sie sind bestimmt eine gute Pflegerin, aber Sie sind keine Ärztin und erst recht keine Komaspezialistin. In unserer Spezialklinik in Boston sind wir …«
    »Es tut mir leid, Dr. Ignacius, aber ich kann Ihnen wirklich nicht helfen!«
    »Nicht ich bin es, der Hilfe braucht, Maria!«, sagte der Arzt eindringlich. »Es ist der Junge. Ohne ärztliche Betreuung wird er sterben. Sie wissen das.«
    »Selbst wenn ich dieser Meinung wäre, könnte ich nichts tun. Seine Mutter entscheidet, was mit Eric geschieht.«
    »Ich fürchte, sie ist nicht mehr in der Lage, diese Entscheidung objektiv zu treffen«, sagte der Arzt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass diese Worte nicht für Maria bestimmt waren, sondern für mich. So als wisse er ganz genau, dass ich den Dialog mit angehaltenem Atem verfolgte. »Mrs. Demmet hat durch den … Unfall ein schweres psychisches Trauma erlitten. Sie benötigt selbst Hilfe. Maria, ich appelliere an Ihren medizinischen Sachverstand, an Ihr Verantwortungsbewusstsein und an Ihre Nächstenliebe: Sorgen Sie dafür, dass der Junge ins Krankenhaus zurückkommt oder, noch besser, in unsere Klinik nach Boston. Hier ist meine Karte. Ich veranlasse gern jederzeit einen Krankentransport.«
    Maria zögerte einen Moment, bevor sie antwortete. »Ich werde Ihre Botschaft weitergeben, sobald ich Mrs. Demmet sehe«, sagte sie. »Auf Wiedersehen, Dr. Ignacius.«
    »Auf Wiedersehen, Maria! Und bitte, denken Sie über das nach, was ich Ihnen gesagt habe. Dem Jungen bleibt vielleicht nicht mehr viel Zeit.«
    Als sich die Tür schloss, atmete ich erleichtert aus. Die Übelkeit, die mich befallen hatte, als ich die Stimme des Neurologen erkannt hatte, klang allmählich ab.
    Maria kam zu uns in die Küche und setzte sich. Sie sah mich an. »Ich nehme an, ihr habt alles gehört.«
    Ich nickte.
    »Anna, ich glaube, Dr. Ignacius hat recht. Wir sollten auf sein Angebot eingehen. Vielleicht lässt er Tante Emily mit in die Klinik kommen. Dann könntet ihr beide weiter versuchen, Eric zu helfen, und er wäre gleichzeitig unter ärztlicher Aufsicht.«
    Ich dachte darüber nach. Die Idee klang wirklich verlockend, und doch … »Ich traue dem Mann nicht«, sagte ich.
    »Warum nicht?«, fragte Maria. »Auf mich macht er einen ganz vernünftigen und kompetenten Eindruck.«
    »Warum ist er hergekommen? Warum hat er sich die Mühe gemacht, die Adresse deiner Tante herauszufinden? Du weißt, dass das nicht so einfach ist. Ich finde das merkwürdig. Normalerweise haben die Ärzte doch genug mit den anderen Patienten zu tun und rennen nicht hinter irgendjemandem her, der sich nicht behandeln lassen will.«
    »Ich finde, dass er extra hergekommen ist, zeigt doch, dass er ein guter Arzt ist, der sich wirklich Gedanken um seine Patienten macht«, widersprach Maria. »Er hat Eric in den letzten Wochen oft untersucht. Vielleicht ist er ihm ans Herz gewachsen.«
    Ich schüttelte den Kopf.

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