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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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während Maria sich auf den Beifahrersitz warf. Wir fuhren gerade los, als unsere Verfolger den Wagen erreichten. Einer von beiden hieb noch frustriert mit der flachen Hand auf den Kofferraum.
    Vor Erleichterung musste ich lachen, als wir mit quietschenden Reifen vom Parkplatz rollten. Doch ein Blick auf Erics reglose Gestalt genügte, um mich verstummen zu lassen.
    Paul hielt zwei Blocks vom Krankenhaus entfernt an, sprang aus dem Wagen und riss das Papier von den Nummernschildern. Dann fuhren wir in normalem Tempo weiter.
    Wir gelangten ohne weitere Schwierigkeiten zu Emilys Wohnung. Paul warf sich Eric über die Schulter und schleppte ihn die Treppen hinauf wie einen Sack Kartoffeln. Er legte ihn neben Emily ins Bett.
    Seine Frau, die offenbar geschlafen hatte, öffnete langsam die Augen. Einen Moment lang schien sie nicht recht zu wissen, wo sie war. Dann sah sie Eric neben sich, und so etwas wie Zärtlichkeit erschien auf ihrem Gesicht. Sie streckte die Hand nach ihm aus.
    »Nein, warte!«, rief ich.
    Sie hielt inne. Ihre blutunterlaufenen Augen blinzelten verwirrt.
    Ich holte die beiden Kapseln hervor, die ich drei Tage |106| zuvor in meine Jackentasche gesteckt hatte. »Maria, können Sie mir ein Glas Wasser bringen?«, bat ich. Sie rührte sich nicht von der Stelle. »Was ist das?«, fragte sie mit unverhohlenem Misstrauen.
    Ich entschloss mich, die Wahrheit zu sagen. »Es ist eine Droge. Man nennt sie Glanz. Sie führt zu einer deutlich intensiveren Wahrnehmung. Ich habe sie benutzt, um in Erics Traumwelt zu gelangen.«
    »Sie haben was?« Marias Augen verengten sich. »Wusste meine Tante davon?«
    Ich erwiderte ihren Blick. »Nein.«
    Emily hatte mich während der kurzen Auseinandersetzung stumm gemustert. Doch ihr Gesicht enthielt keinen Vorwurf. Stattdessen lächelte sie sanft. »Natürlich habe ich es gewusst«, flüsterte sie. »Ich habe sofort gespürt, dass … etwas anders war, als du … an jenem Abend kamst. Da war dieses … Leuchten in deinen Augen.« Sie machte eine kurze Pause und schloss die Augen, als sammle sie neue Kraft für den nächsten Satz. »Es … es war so … stark. Wie ein … gewaltiger Strom, der durch meine Adern floss. Es … es hat mich wund gemacht.«
    »Ich wusste es doch!«, rief Maria. Tränen standen in ihren Augen. »Sie haben sie mit diesem Zeug krank gemacht! Onkel Paul, du darfst nicht zulassen, dass sie das wiederholt!«
    »Maria«, flüsterte Emily.
    Die junge Frau wandte sich zu ihr um.
    »Bitte … ich möchte es … versuchen.«
    »Bist du … sicher, Tante Emily?«
    »Ja.«
    Maria blieb einen Moment unschlüssig stehen. Schließlich holte sie zwei Gläser mit Wasser. Ich nahm meine Kapsel, dann reichte ich die zweite Emily. Sie steckte sie in |107| den Mund und spülte sie mit einem kleinen Schluck herunter.
    »Es dauert ein bisschen, bis es wirkt. Wir sollten vielleicht eine halbe Stunde warten.«
    Wir saßen schweigend an Emilys Bett. Ich spürte Marias Feindseligkeit wie einen kalten Hauch im Nacken. Auch Paul sah mich misstrauisch an.
    Ich betrachtete Emily. Täuschte ich mich, oder sah sie schon wieder gesünder aus? War ihr Blick klarer, ihr Gesicht weniger eingefallen als noch vor ein paar Minuten? Oder lag das nur an meiner eigenen, veränderten Wahrnehmung?
    Das ganze Zimmer schien heller geworden zu sein. Ich sah aus dem Fenster und erwartete fast, Sonnenstrahlen hereinfallen zu sehen, doch es war natürlich immer noch mitten in der Nacht. Erleichterung strich über mein Gesicht wie eine sanfte Sommerbrise und brachte mich zum Lächeln.
    Auch Emily lächelte. »Cooler Stoff«, sagte sie.
    Maria und Paul trauten ihrer plötzlichen Stimmungsänderung offensichtlich nicht, doch ihre Sorge berührte mich nicht mehr. Es kam mir vor wie die harmlose Angst zweier Kinder, unter ihrem Bett könne ein Monster lauern.
    »Ich glaube, es ist jetzt so weit«, sagte ich.
    Emily nickte. Sie ergriff Erics Hand und meine, und ich schloss den Kreis.

|108| 13.
    Als Erstes nahm ich den Gestank des Sumpfes war. Ich spürte den klebrigen Morast, der mich von hinten umklammert hielt wie ein Dutzend kalter Hände. Ich öffnete die Augen und richtete mich auf. Mein Kopf und meine Schulter schienen in Flammen zu stehen. Ich konnte meinen linken Arm nicht richtig bewegen. Nur mühsam gelang es mir aufzustehen.
    Die Quallen waren verschwunden. Auch von den Blasenhalmen war nichts mehr zu sehen. Eric lag nur ein paar Schritte entfernt im Morast. Sein Schwert stak so tief im

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