Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
Vom Netzwerk:
Jagdlust eines der letzten Exemplare einer aussterbenden Spezies umgebracht. Fast hätte ich mich umgesehen, ob nicht irgendwelche Zeugen die Tat beobachtet hatten, um sie Greenpeace zu melden.
    Eric hatte da offensichtlich weniger Skrupel. Er lächelte. »Wenn ich jemals Zweifel hatte, dass du göttlicher Herkunft bist, so sind sie jetzt endgültig beseitigt. Selbst der große Achilles hätte wohl Mühe gehabt, ein solches gepanzertes Ungeheuer zu töten. Dir aber genügte ein einziger Schwertstreich. Du musst eine Tochter der Athene sein!«
    Er wankte zu dem toten Tier und versuchte, das Schwert freizubekommen. Als er es schließlich in der Hand hielt, waren seine Arme und seine Rüstung dunkel von Schildkrötenblut. Er scheute sich nicht, ein Stück von dem zähen, rohen Fleisch des Halses abzuschneiden und sich in den Mund zu stopfen. Er bot mir etwas davon an. Ich verzichtete dankend.
    Da Eric wieder zu Kräften zu kommen schien, gab ich ihm auch seinen Schild zurück. Mein linker Arm, mit dem ich ihn gehalten hatte, war voller dunkler Flecken und fühlte sich an, als sei er in einen Schraubstock gezwängt gewesen.
    Wir wanderten weiter. Ein paar Mal sahen wir in der Ferne Schildkrötenpanzer aus dem Sumpf aufragen, doch wir gingen ihnen aus dem Weg.
    Ich wusste nicht, wie lange wir schon unterwegs waren, als ich in der Ferne ein flaches weißes Gebilde entdeckte. |112| Ich wies Eric darauf hin. Wir näherten uns vorsichtig, darauf gefasst, es mit einer neuen, unbekannten Gefahr dieses tödlichen Sumpfes zu tun zu bekommen. Doch es war nur ein Hügel aus sprödem weißem Fels. Nicht weit davon entfernt erhob sich ein zweiter, und dann noch einer – eine Kette, die weiter vorn im Nebel verschwand.
    Bald wurden die Tümpel um uns herum seltener. Der Morast trocknete aus und wurde wieder zu dem grauen Sand, den ich schon kannte. Der Nebel verschwand, und wir konnten sehen, dass sich die Kette der weißen Hügel meilenweit vor uns erstreckte. In der Ferne ragte mindestens ein Dutzend riesige, gekrümmte Säulen empor wie die Überreste eines gigantischen Käfigs, jede so hoch, dass sie den trüben Himmel zu berühren schien. Wir hatten den schrecklichen Sumpf überwunden.
    Ich blieb stehen und starrte die Gebilde an. Dann kniete ich mich hin und betastete den weißen Untergrund, über den wir liefen, und aus meiner Ahnung wurde Gewissheit. Das, was ich für Kreidefelsen gehalten hatte, waren in Wahrheit Knochen – gigantische Wirbel eines Wesens, gegen das ein Blauwal wie eine Mücke gewirkt hätte.
    Eric kniete ebenfalls nieder. Seine Haut war immer noch gerötet und voll von getrocknetem Blut, aber seine Augen waren klar, und er strahlte wieder die trotzige Kraft eines Kriegers aus. Er strich mit den Fingern über den porösen Untergrund. »Ich verstehe wenig von den alten Geschichten über den Anfang der Welt und den großen Kampf der Götter, doch das hier scheint mir das Skelett eines der Titanen zu sein. Ehrlich gesagt habe ich nicht gewusst, dass sie
so
groß sind. Ich habe immer geglaubt, sie seien unsterblich und von Zeus in den Tartaros gesperrt worden, wo sie noch heute von den Hundertarmigen bewacht werden. Dieser hier scheint allerdings weniger Glück gehabt |113| zu haben. Titan oder nicht, auf jeden Fall bin ich froh, dass er uns nicht lebendig begegnet ist!«
    Wir kletterten von dem Wirbel herab. Da der Sumpf nun hinter uns lag, war es einfacher, durch den ebenen Sand zu laufen, als über die unregelmäßigen Knochenstücke mit ihren Buckeln und Spalten zu klettern.
    Bald näherten wir uns den ersten Rippen. Sie ragten über uns auf wie die Säulen einer unermesslichen Kathedrale, der das Dach fehlte. Ihr Durchmesser betrug Dutzende Schritte. Man konnte kleine Löcher in dem weißen Material erkennen, die zu regelmäßig angeordnet waren, um natürlichen Ursprungs zu sein. Sie verliehen den Rippen das Aussehen von Wolkenkratzern, wie sie Salvador Dalí in einer depressiven Phase gemalt haben könnte.
    Während wir weiterschritten, erschien in einer Öffnung am Fuß einer der Säulen ein dunkelhaariges Wesen – eine Art Affe von der Größe eines zehnjährigen Kindes. Ein zweiter folgte ihm, und dann noch einer. Immer mehr von ihnen quollen daraus hervor. Sie stimmten ein schrilles Geschrei an und fuchtelten mit ihren langen pelzigen Armen, während sie sich zögernd näherten. Manche bewegten sich wie Schimpansen auf Füßen und den Knöcheln der Hände, andere gingen in breitbeinigen,

Weitere Kostenlose Bücher