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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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weichen Boden, dass nur noch der Griff herausragte. Der Schild lag halb eingesunken am Rand des Tümpels. Ein schwarzer Vogel hockte neben seinem Arm und pickte daran, als wolle er den jungen Krieger wecken. Ich schrie und wedelte mit den Armen, und das Tier erhob sich in die Luft. Erst jetzt bemerkte ich, dass ein riesiger Schwarm über uns kreiste, lautlos, wie Geier, die geduldig auf ihre Beute warten.
    »Haut ab!«, schrie ich. »Haut ab, ihr Mistviecher!«
    Seltsamerweise taten die Vögel genau das. Sie formten eine langgezogene ovale Wolke und flatterten davon.
    Ich kniete mich neben Eric. Sein Gesicht war angeschwollen. Hals und Oberarme waren gerötet und mit wässrigen Blasen überzogen.
    »Eric!« Ich wollte ihn an der Schulter rütteln, hatte jedoch Angst, ihn dadurch noch mehr zu verletzen. Stattdessen löste ich den Wasserschlauch von seinem Schwertgurt und benetzte seine Lippen. Als das keine Reaktion |109| hervorrief, goss ich den Rest des Wassers über sein Gesicht.
    Er schlug die Augen auf. Zuerst schien er mich nicht zu erkennen, doch allmählich gelang es ihm, den Blick zu fokussieren. »Göttin«, sagte er.
    Ich lachte vor Erleichterung. »Eine schöne Göttin bin ich, wenn ich nicht mal mit ein paar Quallen fertig werde!«
    Sein Gesicht verzerrte sich, ob vor Schmerz oder in dem missglückten Versuch, mein Lächeln zu spiegeln, wusste ich nicht.
    Ich half ihm aufzustehen. Er war sehr wacklig auf den Beinen. Er schaffte es nicht, seine Waffe und den Schild aufzuheben. Ich trug beides für ihn. Merkwürdigerweise fühlten sich die beiden Schlaufen an der Innenseite des Metallschildes vertraut an, ebenso der Schwertgriff, so als hätte ich beides mein Leben lang mit mir herumgetragen.
    Eric protestierte nicht.
    Ohne Blasenhalme und in unserem halbgelähmten Zustand kamen wir nur sehr langsam voran. Die stinkenden Dünste, die aus den Tümpeln aufstiegen, erlaubten nur eine begrenzte Sicht, so dass ich kaum ein Gefühl für die Richtung hatte, in die wir gingen. Ich versuchte, mich zumindest grob am Zug der Vögel zu orientieren, die aber längst außer Sichtweite waren – einen besseren Wegweiser hatten wir nicht.
    Nach einer Weile ragte vor uns ein runder Felsen empor. Hoffnung erfüllte mich. Wenn es hier Felsen gab, mussten wir uns festerem Untergrund nähern.
    Der Felsen hob sich wie von Geisterhand ein Stück aus dem Sumpf empor. Ich erstarrte. Plötzlich wusste ich, was ich vor mir hatte.
    Der Panzer der Riesenschildkröte musste einen Durchmesser |110| von mindestens vier Metern haben und zweieinhalb Meter hoch sein. Ihre Beine waren wie vier gewaltige Säulen, jedes so breit wie meine Hüfte. Ihre Reptilienaugen blickten mich aus der geschützten Höhle ihres Panzers böse an.
    »Gib mir das Schwert, göttliche Mutter«, sagte Eric. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Er konnte sich immer noch kaum auf den Beinen halten.
    »Nein«, erwiderte ich. »Das hier übernehme ich!«
    Vorsichtig näherte ich mich dem Ungeheuer. Meine Muskeln waren angespannt. Von dem Brennen meiner Schulter und den Kopfschmerzen spürte ich nichts mehr. Timing, dachte ich, darauf kommt es an.
    Der Hals der Schildkröte schoss plötzlich vor, so atemberaubend schnell, dass ich es gerade noch schaffte, den Schild hochzureißen. Der Kopf prallte gegen das Metall und versetzte mir einen heftigen Schlag, der meinen ganzen Körper erschütterte. Ich schlug mit dem Schwert zu, doch die Klinge durchschnitt nur Luft. Durch den Schwung der Waffe wurde mein Arm herabgerissen. Ihre Spitze verfehlte knapp meinen eigenen Fuß und blieb im Morast stecken.
    Verdammt, mit der Maus war das einfacher gewesen.
    Die Schildkröte nutzte ihre Chance für einen zweiten Angriff. Das schnabelartige, weit aufgerissene Maul schoss vor. Erneut wehrte ich den Angriff mit dem Schild ab, während ich gleichzeitig das Schwert emporriss und von unten in den Hals rammte.
    Das Tier gab ein grässliches, fauchendes Zischen von sich und zog den Kopf zurück. Das Schwert, das im Hals festsaß, wurde mir aus der Hand gerissen. Die Schildkröte versuchte, ihren Kopf einzuziehen, doch das Heft der Waffe hinderte sie daran. Ein dicker Schwall Blut quoll aus |111| der Wunde. Die säulenartigen Beine zitterten, dann knickten sie ein. Der tonnenschwere Körper sackte in den Sumpf, und die großen Augen starrten mich leer an.
    Merkwürdigerweise fühlte ich in diesem Moment keinen Triumph. Ich hatte eher ein schlechtes Gewissen, so als hätte ich aus purer

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