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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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ob es ihm passt oder nicht, verdammt noch mal!«
    »Keine Göttin ist allein stark genug, um es mit dem Herrn der Unterwelt aufzunehmen«, sagte Eric düster.
    »So? Das werden wir ja sehen!« Ich ergriff seine Hand und zog ihn zurück Richtung Fluss. Seine toten Gefährten musterten uns stumm, folgten uns jedoch nicht. Bald waren sie im Nebel verschwunden.
    Wir gingen weiter stromaufwärts am Ufer des Styx entlang. »Wie bist du eigentlich auf dieses Schlachtfeld gekommen?«, fragte ich, nachdem wir eine Weile schweigend gelaufen waren.
    Und er begann zu erzählen.

|219| 24.
    »Ich stand dort vor dem Tempel der Wahrheit und habe auf dich gewartet, göttliche Mutter. Viele Tage lang. Ich schlief im Sand. Die Affen brachten mir Speise und Trank, so dass es mir an nichts mangelte, doch nach langer Zeit begriff ich, dass du nicht zurückkommen würdest. Ihr Götter habt andere Pflichten, wurde mir klar. Wie könntet ihr die Welt regieren, wenn ihr euch nur um einen Einzelnen wie mich kümmert? Dennoch fiel es mir schwer, dein Gebot, auf dich zu warten, zu missachten.
    Andererseits dachte ich mir, dass dir vielleicht etwas zugestoßen sein könnte – ich wusste zwar noch nichts von Hades’ Verrat, aber dass ihr Götter auch untereinander Streit habt, ist mir wohlbekannt. Also beschloss ich, dich zu suchen. Ich ging zurück zur Ersten Mutter und fragte sie, wo ich dich finden könne. Sie trug mir auf, in die Stadt des Lächelns zu gehen und die Glückliche Königin nach dir zu fragen. Ich sollte ihr sagen, dass ich jemanden suche, der ihr gleiche wie eine Zwillingsschwester. Ich hielt das für übertrieben, denn niemand kann so schön sein wie du, göttliche Mutter. Doch ich folgte der Richtung, die sie mir wies.
    Ich wanderte viele Tage, bis ich an ein gewaltiges Gebirge gelangte. Die höchsten Berge waren so gewaltig, dass ihre Gipfel schneebedeckt waren. Ich ernährte mich von kleinen stachligen Früchten, die ich auf meinem Weg fand.
    Als ich schon glaubte, das schwierigste Stück hinter mir zu haben, wurde ich von einem Greif angefallen – einem |220| gewaltigen Tier mit Löwenkörper und dem Kopf und den Flügeln eines Adlers. Seine Schwingen waren so groß wie die Segel meines Schiffes, der Argo. Ich konnte das Untier in die Flucht schlagen, doch es verwundete mich schwer mit seinem Schnabel. Ich schleppte mich weiter, wusste jedoch, dass ich ohne Hilfe verloren war. Bald verließen mich die Kräfte, und ich verlor das Bewusstsein.
    Als ich erwachte, lag ich in völliger Dunkelheit. Ich streckte eine Hand aus und ertastete eine kalte, schräge Wand dicht über meinem Kopf. Als ich meine Finger einen Augenblick an einer Stelle ruhen ließ, wurde sie feucht – die Wand bestand also aus Eis. Ich tastete weiter und bemerkte, dass ich auf einer pelzigen Unterlage lag, die einen durchdringenden Gestank absonderte. Ich konnte mir nicht erklären, wie ich hierhergekommen war, aber ohne Zweifel hatten die Götter mir Hilfe geschickt.
    Ich hörte das Kratzen von scharfen Klauen auf Eis und ein tiefes Grunzen. Was immer es war, das diese Geräusche machte, es musste sehr groß sein. Etwas Pelziges berührte mich, legte sich um meine Brust wie eine haarige Schlange. Ich wurde fortgezogen und hing plötzlich kopfüber in der Luft, von einer gewaltigen Faust umklammert.
    Im schwachen blauen Licht, das durch das Eis weiter oben schimmerte, formte sich allmählich ein Bild meiner Umgebung. Ich befand mich in einer Höhle so groß wie ein Tempel. Der Bewohner dieser kalten Behausung hielt mich in seiner riesigen Hand, dicht vor dem Gesicht, und starrte mich an. Er war riesig, größer noch als ein Zyklop, und besaß zwei Augen von den Ausmaßen reifer Melonen. Sein pelziges Gesicht hatte keine Nase, dafür aber einen breiten Mund voll dolchartiger Zähne, halb zu einem bösen Grinsen geöffnet. Der Gestank, der mich daraus anwehte, raubte mir den Rest meines Atems. Der |221| Riese war von einem dichten zottigen Pelz bedeckt, der schmutzig weiß oder grau sein mochte – genau konnte ich das in dem schwachen Licht nicht erkennen.
    Ich versuchte mich aus der Umklammerung der riesigen Affenhand zu befreien, doch das Untier umfasste mich nur um so fester und brach mir beinahe die Rippen. Helle Flecken tanzten vor meinen Augen, als ich begriff, dass ich mich getäuscht hatte. Diesen Unhold konnten nicht die Götter geschickt haben. Er musste mich bewusstlos gefunden und in seine Höhle geschleppt haben, um mich später zu

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