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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Suche endlich gefunden, nur um ihn kurz darauf erneut zu verlieren?
    »Eric!«, rief ich immer wieder. »Eric, wo bist du? Eric!« Doch ich erhielt keine Antwort. Ich hatte das Gefühl, dass der Nebel die Geräusche dämpfte und meine Rufe, wenn überhaupt, nur ein paar Schritte weit drangen. Zerknirscht setzte ich meinen Weg fort.
    |213| Vielleicht vergingen Tage, vielleicht auch nur ein paar Stunden. Mir jedenfalls kam es vor, als sei es endlos lange her, dass ich aus dem Fluss geklettert war. Mein Gewand war längst getrocknet, doch immer noch hatte ich weder eine Spur von Eric noch von der Schlacht gefunden. Vielleicht hätte mich das nicht sonderlich überraschen dürfen – immerhin befand ich mich in einer Traumwelt und hatte mehr als einmal erlebt, dass die gewohnten physikalischen Gesetze hier nicht galten. Dennoch beharrte ein Teil von mir darauf, dass ich irgendwann das Schlachtfeld erreichen musste. Wenn ich bis dahin Eric nicht gefunden hatte, würde ich versuchen, irgendwie über die Brücke zu kommen und ans andere Flussufer zurückzukehren. Vielleicht war er vernünftig genug gewesen, mir gar nicht erst zu folgen.
    Die ganze Zeit über nagte der Gedanke an mir, dass ich ihn vielleicht nur knapp verpasst hatte, dass er ein Stück weiter flussabwärts an Land gegangen war. Die Vorstellung, er könne im Fluss ertrunken sein, ließ ich nicht zu. Wie hätte er auch in seinem eigenen Traum ertrinken können? Nein, er irrte hier sicher irgendwo herum und suchte nach mir. Blöderweise hinterließen meine Füße auf den glatten Uferkieseln keine Abdrücke.
    Ich kam auf die Idee, ihm Zeichen zu hinterlassen für den Fall, dass er mir tatsächlich flussaufwärts folgte, und ärgerte mich, nicht schon viel früher daran gedacht zu haben. Aus kleinen Kieseln legte ich einen Pfeil, der flussaufwärts zeigte, auf einen großen flachen Stein. Er würde Eric mit Sicherheit auffallen, falls er nach mir hier entlangwanderte.
    Ich zählte meine Schritte. Nach fünfhundert wiederholte ich das Zeichen.
    Gerade war ich dabei, das siebte Richtungszeichen zu |214| legen, als ich im Nebel eine Bewegung wahrzunehmen glaubte. Erschrocken sprang ich auf. »Eric?«
    Angestrengt starrte ich in die weiße, wabernde Nebelwand. Hatte ich mich nur getäuscht?
    Nein, dort vorn, nur ein paar Schritte entfernt, stand tatsächlich eine Gestalt.
    »Eric! Bist du es?« Langsam ging ich auf die Gestalt zu. Ich erkannte den matten Glanz einer Bronzerüstung, und mein Herz schlug höher. Doch als ich mich ihr näherte, machte die Gestalt einen Schritt rückwärts, dann noch einen, so als habe sie Angst vor mir.
    »Eric! Warte doch!«
    Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und fuhr herum. Da war noch jemand im Nebel, ebenfalls nur undeutlich zu erkennen.
    Ich blieb stehen. Ich hatte mich noch nicht sehr weit vom Ufer entfernt, dennoch konnte ich das Rauschen des Flusses kaum noch hören.
    Ich blickte mich um und war plötzlich von den schemenhaften Gestalten umringt. Vollkommen lautlos standen sie dort, gerade so weit entfernt, dass ich nur ihre grauen Umrisse erkennen konnte, und starrten mich an. Angst schnürte mir die Kehle zu.
    »Wer … wer seid ihr?«, rief ich. Meine Stimme klang seltsam, hoch und dünn, fast wie die eines verängstigten Kindes. Ich nahm all meinen Mut zusammen. »Kommt her und zeigt euch!«
    Tatsächlich traten die Gestalten näher an mich heran. Jetzt sah ich, dass sie alle die Bronzehelme und Rüstungen griechischer Krieger trugen. Doch ihre Panzer waren verbeult und blutverkrustet. Als ich ihre Gesichter erkennen konnte, entfuhr mir ein Stöhnen. Die meisten Augenhöhlen waren leer. Nur bei einem war noch ein einzelner, blutiger |215| Augapfel zu sehen, die Pupille nach oben verdreht, so dass nur das Weiße zu erkennen war.
    Die Gestalten wankten auf mich zu. Einer fehlte ein Bein, so dass sie sich auf ihren zerbrochenen Speer stützen musste. Auch die anderen waren verletzt. Einem Mann waren beide Arme abgetrennt worden, einem anderen fehlte ein Teil seines Torsos, so als hätte ein gewaltiges Raubtier ein Stück davon abgebissen. Ein weiterer hatte nur noch ein halbes Gesicht. Von der anderen Hälfte war allein der nackte Kieferknochen zu erkennen.
    Ich dachte an all die Zombiefilme, die ich als Teenager gesehen hatte. Offensichtlich hatte auch Eric seinen Teil davon zu Gesicht bekommen. Doch ich spürte irgendwie, dass diese Untoten mir nichts Übles wollten. Sie waren keine Gegner. Ich empfand

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