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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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fressen.
    Der Riese lockerte den Griff etwas, kurz bevor ich ohnmächtig wurde, und stieß ein Geräusch aus, das wie »Bwaaah« klang.
    »Lass mich runter!«, rief ich in meiner Verzweiflung. Zu meiner Überraschung setzte mich der Unhold tatsächlich sanft auf dem Eisboden ab. Ich dachte an die Erste Mutter und ihre freundlichen Affenkinder und schöpfte neue Hoffnung.
    Das Wesen holte den Kadaver eines großen Pelztieres aus einer Nische, die es in die Eiswand geschlagen hatte, und warf ihn vor mir auf den Boden. Fäulnisgestank stieg davon auf. Es hob den Kadaver hoch und biss ein großes Stück davon ab, als wolle es mir zeigen, wie man das machte. Dann legte es den Kadaver wieder vor mich auf den Boden.
    Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, großer Freund, aber das hier kann ich nicht essen.«
    Das Wesen sah mich einen Augenblick an – nachdenklich, wie es schien. Dann griff es in ein anderes Fach seiner Vorratskammer und holte eine Handvoll roter Früchte hervor. Sie sahen aus wie Beeren, waren aber groß wie Äpfel. Die äußere Hülle war glatt und ledrig, von einer Art |222| Wachsschicht überzogen, doch es gelang mir, die Schale aufzubrechen und an das zarte Fruchtfleisch zu gelangen. Es schmeckte köstlich. Nach drei ganzen Früchten war ich satt.
    Der Riesenaffe stieß ein zufriedenes »Bwaaah!« aus. Er räumte den Kadaver wieder in das Eisfach und sammelte auch die übrigen Beeren wieder auf.
    Ich wusste nicht genau, ob der Riese mich verstand, doch ich dankte ihm für seine Gastfreundschaft und erklärte ihm, dass ich aufbrechen müsse, um dich zu suchen. Zwar war ich immer noch verletzt, aber die Blutungen waren gestillt, und die Früchte hatten mich gestärkt. Ich trat auf eine Spalte zu, durch die ein frischer Luftzug wehte und hinter der ich den Höhlenausgang vermutete.
    Das Wesen machte einen großen Schritt über mich hinweg und versperrte mir den Weg. »Bwaaah!«, sagte es, und diesmal schien es keineswegs freundlich gemeint zu sein. Dann tat es etwas Seltsames: Es legte sich flach auf den Bauch, so dass es fast die ganze Höhle der Länge nach ausfüllte. »Bwaaah«, machte es erneut.
    Ratlos stand ich neben dem Riesen. Er schien etwas von mir zu erwarten. Aber was? Der Weg zum Ausgang war jetzt frei, aber er würde bestimmt ärgerlich werden, wenn ich erneut zu fliehen versuchte. Ich musste also herausfinden, was er wollte.
    Der Riese sah mich mit seinen großen Augen ruhig an und wartete. Ich betrachtete ihn genauer und entdeckte in seinem dichten Fell eine Bewegung. Dort kroch eine Art Wurm, lang wie mein Arm und ebenso dick.
    Ich packte den Wurm mit beiden Händen. Das Tier wand sich in meinem Griff. Es war ziemlich kräftig. Sein Körper bestand aus Ringen, ähnlich wie ein Regenwurm. An dem einen Ende hatte der Wurm ein rundes Maul, das |223| mit Widerhaken versehen war. Unter der blassen Haut konnte ich rundliche Gefäße sehen, die mit Blut gefüllt zu sein schienen.
    Der Wurm wehrte sich energisch gegen meine Umklammerung und hielt sich mit seinen Widerhaken an dem zotteligen Pelz fest, doch es gelang mir, ihn herauszuzerren. Nun versuchte der Wurm, seine Haken in meine Arme zu schlagen, doch ich warf ihn zu Boden, zog mein Schwert und hieb ihn in der Mitte entzwei.
    Der Riese grunzte zufrieden, ergriff die beiden zappelnden Teile des Wurmes und steckte sie sich in den Mund. Dann legte er sich wieder flach auf den Boden.
    Nun wusste ich, was er als Dank für meine Rettung von mir erwartete. Ich machte mich sogleich an die Arbeit.
    Einige Stunden später hatte ich Dutzende von Würmern aus dem zotteligen Fell entfernt, einige davon so lang wie ein Mann, andere nur fingergroß. Einer der kleineren Würmer hatte sich an meinem Bein festgesaugt und mir eine kleine, aber schmerzhafte Wunde zugefügt, bevor ich ihn mit dem Schwert entfernen konnte.
    Der Riesenaffe setzte sich auf und stieß ein langgezogenes »Bwaaaaaah!« aus, das tief aus seinem Bauch zu kommen schien. Dann holte er eine große Menge der roten Beeren hervor und legte sie vor mich hin. Außerdem schenkte er mir den Pelz, auf dem ich gelegen hatte.
    »Ich danke dir und den Göttern für deine Hilfe!«, sagte ich. »Doch jetzt muss ich aufbrechen.«
    Diesmal machte mein neuer Freund keine Anstalten, mich aufzuhalten.
    Ich brauchte viele Tage, bis ich das Gebirge durchquert hatte und auf die graue Ebene herabblickte, in der die Stadt des Lächelns liegt. Ein freundlicher Mann empfing mich am Stadttor und schenkte mir

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