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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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eine Maske, damit ich mich |224| den Gebräuchen der Stadt anpassen und meine Trauer und Sorge um dich verbergen konnte. So ging ich zum Palast der Glücklichen Königin. Als ich die Statue in der Mitte des Platzes sah, die man dir zu Ehren errichtet hatte, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war. Doch man ließ mich nicht in den Palast. Die Glückliche Königin müsse noch am selben Tag der Parade der Tapferen beiwohnen, sagte man mir, und sich darauf vorbereiten.
    Ich beschloss zu warten und setzte mich auf die Stufen des Palastes. Bald füllte sich der Platz mit Menschen – Frauen und Kinder die meisten, ein paar Soldaten und einige Jünglinge. Dann kam die Königin. Sie war von Kopf bis Fuß in ein weißes Gewand gehüllt; dennoch war ich mir in dem Moment, als ich sie sah, sicher, dass du es warst. Ich wollte zu ihr, doch sie wurde von Soldaten abgeschirmt, die mich nicht vorließen. Man führte sie zu einem Thron genau mir gegenüber. Ich spürte ihren Blick durch die Schleier, und eine solche Liebe ergriff mich, dass ich mein Schwert zog, um mir den Weg zu ihr – zu dir, wie ich glaubte – freizukämpfen.
    Doch in diesem Moment hörte ich etwas. Eine leise Flötenmelodie, die aus weiter Ferne erklang und trotzdem über das Stimmengewirr auf dem Platz hinweg deutlich zu vernehmen war. Ich vergaß plötzlich, warum ich hergekommen war, und wandte mich nach der seltsamen Melodie um.
    Es wurde still auf dem Platz. Die Menge teilte sich und bildete eine breite Gasse.
    Die Musik kam näher, und dann sah ich die Parade. Voran ritten vier wunderschöne Jungfrauen auf weißen Rossen. Eine von ihnen spielte die Flöte, die zweite eine Harfe, die dritte schlug die Trommel dazu, und die vierte sang. Ich verstand ihre Worte nicht, doch ihre Stimme war so |225| schön und so traurig, dass mir Tränen über die Wangen liefen. Ich wusste, dass sie von Mut und Tapferkeit sang, von Opfern und Hingabe, von Not und Leid und Tugend, und mein Herz war so ergriffen, dass ich mir nichts mehr wünschte, als für immer dieser Musik lauschen zu können.
    Den Jungfrauen folgten die Helden vergangener Zeiten. Bleich sahen sie aus, wie wandelnde Statuen aus Marmor, doch ihre Rüstungen glänzten golden, und ihre Augen waren voller Stolz. Hektor und Achilles, Sisyphos und Odysseus, all die Könige und Krieger, von denen uns die Legenden berichten, waren dort. Sie marschierten in einer langen Reihe an uns vorbei, und obwohl keiner ein Wort sprach, wusste ich, was sie uns sagten: Kommt mit! Folgt uns und kämpft mit uns, so werdet ihr im Ruhm unsterblich werden!
    Als das Ende des Zuges über den Platz marschierte, lösten sich Menschen aus der Menge und schlossen sich ihm an, Jünglinge die meisten, aber auch Ältere und sogar ein paar Frauen. Viele versuchten, diejenigen, die mitgingen, zurückzuhalten. Mütter weinten um ihre Söhne. Doch die Magie der Parade war so groß, dass sich ihr niemand entziehen konnte, der zum Kampf bestimmt war.
    Auch ich selbst spürte ihre Macht. Ich warf einen Blick zu der Glücklichen Königin. Sie schien mich durch ihren Schleier hindurch anzusehen. Ich glaubte, ein leichtes Nicken wahrzunehmen. Also schloss ich mich der Parade an. Wenn es dein Wunsch war, dass ich kämpfte, so würde ich es für dich tun – bis zum letzten Blutstropfen.
    Wir marschierten durch eine trostlose Landschaft und durchquerten einen Wald aus riesigen Pilzen, bis wir in das Tal gelangten, in dem die Schlacht gegen Hades’ Truppen tobte. Dort stürzten wir uns in den Kampf, und obwohl es |226| offensichtlich war, dass wir der Übermacht der Monster nicht gewachsen waren, spürte ich weder Furcht noch Verzagen. Ich war bereit, für dich und die Götter zu sterben, an der Seite der größten Helden der Menschheit. Doch dann warst du plötzlich da und rettetest mir das Leben, und ich begriff, dass ich mich getäuscht hatte.
    Ich wollte weiterkämpfen, wollte meine Kameraden nicht im Stich lassen, aber ich wusste, dass ich mich deinem Willen nicht widersetzen durfte. Also folgte ich dir und sprang in die Fluten des Styx, wohl wissend, dass ich mich damit wie ein Feigling aus der Welt der Lebenden stahl.
    Ich versank in den Fluten und verlor mein Leben. Das schwarze Wasser spülte mich ans ferne Ufer, von wo aus ich zusammen mit meinen gefallenen Kameraden zusehen musste, wie Hades’ Truppen die Schlacht für sich entschieden. Wir versuchten einzugreifen, doch wir waren unsichtbare, machtlose Geister.
    Als es vorbei war,

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