Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
ist es dasselbe Gefühl.
    Und doch existiert jenseits der Automobile, der Korridore, Tore und ausgeklügelten Spielchen, die wir miteinander treiben (obwohl wir es leugnen), ein reales Universum. Und manchmal schlägt diese Tatsache einem geradezu ins Gesicht.
    Wie jetzt. Indirekt ist mir schon die ganze Zeit über klar, dass wir in mehreren ungefähr rechtwinkligen Gebilden eines Terrains leben, das sich über die gekrümmte innere Oberfläche von mehreren riesigen Habitatzylindern erstreckt. Diese Zylinder drehen sich, um für zentripetale Beschleunigung zu sorgen und damit die Schwerkraft zu ersetzen. Ihre Umlaufbahnen verlaufen rund um irgendwelche Braunen Zwerge. Unser Himmel ist das Display auf einem Bildschirm, der Wind kommt aus der Klimaanlage, und die Straßentunnel sind wesentlicher Bestandteil der Sinnestäuschung. Und wenn man einen Spaziergang über die verwilderten Grundstücke hinter dem Haus macht, wird man auf einen steilen Hügel oder eine Klippe stoßen, kann aber nicht hinaufsteigen, denn Hügel oder Klippe sind nur ein paar Meter hoch. Bis jetzt habe ich nicht viel darüber nachgedacht, auf welche Weise dieses Stückwerk zusammengestoppelt wurde. Ich habe lediglich angenommen, dass es in jedem Straßentunnel T-Tore gibt. Aber was wäre, wenn es noch einen anderen Weg nach draußen gäbe?
    Ich greife nach Sams Hand. »Halt! Richte deine Taschenlampe nach hinten, Ja, dorthin, genau dorthin.«
    »Was ist das?«
    »Lass uns nachsehen.« Ich ziehe ihn mit. »Komm schon, ich brauche Licht.«
    Die Tunnelwände bestehen aus weich geschwungenen, miteinander verfugten Betonkacheln und bilden eine hohle Röhre, deren Durchmesser acht Meter betragen mag. Die Straße besteht aus platt gewalztem Asphalt, dessen Ränder auf halber Höhe mit den Wänden der Röhre zusammentreffen. (Jetzt, wo ich genauer darüber nachdenke, frage ich mich, was unter der Straßendecke verlaufen mag. Zwar könnte sie durchaus massiv sein, doch genauso gut könnte sich darunter alles Mögliche verbergen.) In der gegenüberliegenden Wand ist mir eine rechtwinklige Einkerbung aufgefallen. Als ich näher dran bin, stelle ich fest, dass sie etwa einen Meter breit und zwei Meter hoch ist - eine simple Metallverkleidung, die in eine Seite des Tunnels eingelassen ist. Es ist weder ein Griff noch ein Schloss zu sehen, lediglich ein wenige Millimeter großes Loch, das auf halber Höhe der Verkleidung unmittelbar neben dem Rand hineingebohrt ist.
    »Gib mir mal die Taschenlampe.«
    »Hier.« Er reicht sie mir ohne Widerworte. Ich gehe so nahe wie möglich an die Wand heran und richte den Lichtkegel auf den Spalt. Nichts. Keine Spur von Scharnieren oder Ähnlichem. Ich bücke mich und leuchte in das Loch. Auch dort ist nichts zu sehen. »Hm.«
    »Was ist das?«, fragt er beunruhigt.
    »Eine Tür. Mehr kann ich nicht sagen.« Ich richte mich auf. »Im Augenblick können wir nichts weiter tun. Lass uns nach Hause gehen und überlegen, was das sein könnte.«
    »Aber zu Hause können wir nicht reden!« Im schwachen Licht der Taschenlampe wirken seine Augäpfel sehr weiß. »Die werden alles belauschen.«
    »Aber sie sehen nicht alles«, beruhige ich ihn. »Komm, lass uns heimgehen. Ich möchte, dass du heute Nachmittag den Rasen mähst.«
    »Aber ich …«
    »Der Rasenmäher ist in der Garage«, setze ich unerbittlich nach. »Zusammen mit anderen Dingen.«
    »Aber …«
    »Falls sie uns nicht schon zu Hause erwarten, überwachen sie die Tunnel nicht, Sam. Hast du in letzter Zeit mal auf deine Netzwerkverbindung gesehen? Nein? Nun, offenbar hat man uns in den letzten paar Minuten keine Punkte abgezogen. Deren Überwachung hat Lücken. Ich glaube, ich kenne noch einen anderen Ort, den sie nicht überwachen. Und du musst wissen, dass wir nicht die einzigen Leute sind, die rauswollen.«
    Ich habe ein sicheres Gefühl dabei, ihm so viel zu verraten. Allerdings wird es jetzt drei Leute erwischen, falls sie mir das Gehirn auslöffeln und mich an Curious Yellow verfüttern: mich, Sam und Janis. Kay mag mich im Moment verleugnen, aber sie - nein, ich muss Kay weiterhin als Sam betrachten, sage ich mir - wird mich meiner Meinung nach nicht an die Verbrecher verkaufen. Ich bin mir ziemlich sicher, Sam inzwischen so gut zu kennen, dass ich weiß, was an ihm nagt. Komisch, dass ich so scharf auf Kay war, obwohl ich nicht wusste, ob ich ihr trauen konnte. Und jetzt vertraue ich Sam, bezweifle jedoch, dass ich jemals wieder mit ihm schlafen werde. Das Leben

Weitere Kostenlose Bücher