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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Mob nicht aufhalten, wenn die Leute erst mal in Fahrt sind«, setze ich hinzu, nicht zuletzt mir selbst zuliebe. »Jedenfalls nicht ohne Panzer und schwere Waffen, denn ständig werden neue Leute dazu stoßen. Die Hinteren können nicht sehen, was vorne passiert, und der Schwachkopf, der ihnen ohne weitere Deckung im Weg steht, wird sehr schnell als toter Schwachkopf enden, selbst wenn er eine ganze Menge von ihnen über die Klinge springen lässt. Außerdem ist dieser Idiot von Schwertkämpfer auch nicht schlauer als irgendeiner im Mob. Man kann den Mob nur aufhalten, ehe er sich in Bewegung gesetzt hat. Man muss sich gleich am Anfang vor den Leuten aufbauen und ihnen das Lynchen verbieten.«
    Wir biegen in die dunkle Kurve des Tunnels ein; von hier aus sind beide Eingänge nicht mehr zu sehen. Sam seufzt auf. »Ich kannte jemanden, der genau das getan hätte«, bemerkt er wehmütig. »Der Mann, in den ich mich verliebt habe. Er war kein Schwachkopf, sondern hätte gewusst, wie man eine solche Situation in den Griff bekommt.«
    Der Mann ? Sam kommt mir gar nicht wie ein solcher Typ vor - bis mir einfällt, dass ich ihn durch geschlechtsfixierte Augen sehe, so wie auch er mich durch die geschlechtsspezifische Brille sieht. Ich habe keine Ahnung, wer oder was Sam war, ehe er sich für dieses Experiment gemeldet hat. »Niemand hätte das in diesem Fall geschafft«, entgegne ich vorsichtig.
    »Mag sein. Aber ich glaube, ich würde Robins Urteil eher trauen als jedem …«
    Ich bleibe so plötzlich stehen, als wäre ich gerade gegen eine Wand gelaufen. Mir sträuben sich sämtliche Nackenhärchen, und mein Magen verkrampft sich schon wieder so, als müsste ich mich übergeben.
    »Was ist los?«, fragt Sam.
    »Die Person in der Außenwelt, nach der du so geschmachtet hast«, sage ich vorsichtig, »ist ein Mann? Und heißt Robin?«
    »Ja.« Er nickt. »Ich hätt’s nicht sagen sollen, man wird uns Punkte abziehen …«
    Ich greife so fest nach seiner Hand, als wäre sie ein Rettungsseil und ich am Ertrinken. »Sam, Sam.« Du Idiot! Ja, du! (Ich bin mir nicht sicher, welchen von uns beiden ich damit meine.) »Bist du je auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob ich Robin vielleicht gekannt habe?«
    »Wieso? Was hätte das genützt?« Im Zwielicht wirken seine Pupillen riesig und dunkel.
    »Du bist der größte …« Ich weiß nicht, was ich sagen soll, weiß es wirklich nicht. Ich bin wie gelähmt - und das ist noch das mildeste Wort, um die Verwirrung meiner Gefühle zu beschreiben. »Und du hast dich Robin gegenüber als Kay bezeichnet, stimmt’s?«
    »Du …«
    »Kay. Ja oder nein?«
    Er spannt sich an und versucht mir seine Hand zu entziehen. »Ja.«
    »O-kay.« Ich fühle mich so, als bekäme ich kaum noch Luft. »Also gut, Sam, jetzt gehen wir einfach weiter, nach Hause, ja? Denn für unsere jetzige Situation spielt’s ja keine Rolle, wer wir waren, ehe wir hierherkamen, stimmt’s?«
    In der Dunkelheit kann ich seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. »Du musst Vhora sein …«
    Fast hätte ich ihm eine geknallt. Stattdessen strecke ich den Zeigefinger meiner freien Hand aus und berühre seine Lippen. »Gehen wir erst mal nach Hause. Dann können wir reden.« Mir dreht sich vor Entsetzen über meine eigene Dummheit und vorsätzliche Blindheit immer noch der Magen um. Okay, also bin ich wohl mitten in diese Situation hineingestolpert. Und ich glaube, mir hat gerade jemand ins Gehirn geschissen. Was jetzt?
    Er seufzt. »Also gut.« Er nennt mich noch immer nicht bei meinem Namen. Stattdessen dreht er sich um, um mit der Taschenlampe den Weg vor uns auszuleuchten. Und in diesem Moment erkenne ich in der Wand gegenüber die Umrisse einer Tür.

    Ist schon komisch: Je mehr man reist, desto weniger sieht man.
    Wenn wir mittels T-Toren reisen, vermeiden wir Stopps zwischen Anfang und Ende, denn das Tor ist ja eigentlich nichts anderes als ein Loch in der Raumstruktur, und in einem sehr realen Sinn gibt es zwischen den Toren gar keine Punkte. Wenn man mit einem Auto unterwegs ist, ist es auch nicht viel anders. Man steigt ein, sagt dem Zombie, wohin er einen fahren soll, und er gibt Gas. Bei Toren gibt es zwar keine Maschine unter der Motorhaube, die mit lauten Geräuschen eine Flüssigkeit explodieren lässt, die aus uralter fossilierter Biomasse destilliert ist (bei Toren gibt es nur einen kompakten Generator und ein Gerät, das Geräuscheffekte erzeugt), aber sofern es die eigene Interaktion mit der Umgebung betrifft,

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