Glashaus
mit Cass vor Wut - warum habe ich nicht früher bei ihr vorbeigeschaut? - und habe einen neu genährten Hass auf Fiore, Yourdon und das gesichtslose Arschloch, das diesen Albtraum erschaffen hat und von uns erwartet, dass wir darin leben. »Auf was wartest du?« Ich lasse mich aufs Sofa fallen und strecke Sam das Glas hin, das er mit farblosem Alkohol füllt. »Komm doch.«
Er setzt sich neben mich, füllt auch sein Glas und schraubt danach die Flasche zu. »Ich hätte früher auf dich hören sollen.« Er trinkt einen Schluck.
»Was soll’s?« Ich hebe mein Glas. »Ich hoffe nur, dass man ihr im Krankenhaus helfen kann. Sie war …«
Beide schweigen wir lange. Es mögen nur einige Sekunden sein, doch mir kommen sie wie Stunden vor.
»Ich hatte ja keine Ahnung.«
»Keiner von uns.« Aber für meine Ohren sind das in der jetzigen Situation schwache Ausflüchte. Um meinen Mund zu beschäftigen, nehme ich noch einen Schluck Wodka.
»R… Reeve. Da ist noch was, das ich dir sagen möchte.« Ich werfe ihm einen scharfen Blick zu, dem er nicht ausweicht. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich fast nackt bin. Und jetzt, wo ich mir zugestehe, so etwas zur Kenntnis zu nehmen, fällt mir auf, dass auch Sam kaum was am Leib hat.
»Sag schon.« Ich versuche, es möglichst gleichmütig klingen zu lassen.
»Ich bin … Oh.« Er wendet den Blick ab und wirkt dabei so gequält, als fände er nicht die richtigen Worte. »Gestern habe ich einige Dinge gesagt, die ich gar nicht so meinte. Manches war auch verletzend. Ich möchte mich dafür entschuldigen.«
»Das ist doch gar nicht nötig.« Mein Herz klopft so schnell, dass es schon fast wehtut.
»Doch, ist es. Weißt du, ich hab nicht alles wirklich so gemeint, wie ich es gesagt hab. Aber als ich * * * sagte, war das ehrlich …«
»Hör sofort auf.« Abwehrend strecke ich die Hand hoch. »Diese Wörter. Du … äh … ach, Scheiße .« In meinem Kopf dreht sich alles. Es ist spätnachts, ich habe viel durchgemacht, Wodka getrunken, und jetzt sagt Sam mir auch noch Dinge, die meine Ohren nicht hören wollen. »Ich hab dich gerade eben nicht verstanden. Und ich weiß ganz sicher, dass ich diese Wörter auch beim letzten Mal, als du sie ausgesprochen hast, nicht verstanden habe.« Er wirkt verwirrt, sogar beleidigt. »Ich meine, ich konnte dich zwar reden hören, aber die Wörter nicht verstehen.« Allmählich bin ich beunruhigt. »Du hast dieselbe Formulierung benutzt, stimmt’s? Genau dieselben Wörter, richtig? Könnte etwas mit meinen Ohren …« Er steht auf und geht mit großen Schritten zum Büfett hinüber, um seinen Slate zu holen, der dort seit geraumer Zeit liegt und Staub sammelt. »Was ist?«
Er spricht etwas hinein und streckt ihn mir hin. Schwach lesbare Buchstaben leuchten auf dem Bildschirm auf:
ICH LIEBE DICH
»Du tust was? Willst du damit sagen, dass * * *?« Ich weiß zwar, dass ich die Wörter ausspreche, aber ich kann sie nicht hören . »Scheiße.« Ich schüttle den Kopf. »Es liegt an mir, Sam, es tut mir wirklich leid.« Ich stehe auf und umarme ihn. »* * * doch auch. Nur spielt mein Sprachmodul irgendwie verrückt. Ist es das, was du mir sagen wolltest?« Ich beuge mich so weit zurück, dass ich ihm ins Gesicht sehen kann. »Ja?«
»Ja.« Sein Gesicht wirkt äußerst besorgt. »Ich sage so etwas nicht einfach so daher. Und ich kann’s auch nicht hören, Reeve. Ich dachte schon, ich verliere den Verstand.«
»Wohl kaum.« Ich rücke ihm so auf den Pelz, dass ich seine Geschlechtsteile spüren kann. »Und ich nehme an, du sagst es nur zu Menschen, die dir wirklich am Herzen liegen.« Er nickt. »Und vielleicht liegst auch du mir so am Herzen, dass ich dir verraten kann, wie geschmeichelt ich mich fühle und wie glücklich ich darüber bin …« Ich halte inne. Irgendwie habe ich das Gefühl zu wissen, was es mit dieser seltsamen Unfähigkeit, diese drei beglückenden Wörter zu verstehen, auf sich hat, aber ich kann es mir nicht richtig ins Gedächtnis zurückrufen. »Wir müssen hier raus.«
Er nickt. »Ich verabscheue das hier wirklich«, sagt er niedergeschlagen und zieht einen Kreis um sich. »Ich habe … Eigentlich hätte es ihnen auffallen müssen. In einem großen, schwerfälligen, starr fixierten Körper ist mir einfach nicht wohl. Ich meine, man kann dem zwar für eine gewisse Zeit abhelfen, aber das gefällt mir auch nicht. Es wäre einfacher, wenn’s anders wäre. Nur haben die Versuchsleiter mich nicht mal so
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