Glashaus
schon.«
Drei Stunden später haben wir uns bereits in einem leeren Haus verschanzt, das mitten in einem Wohngebiet an einer stillen Nebenstraße liegt. Gegenüber, an der größeren Straße, wohnen Cass und Mick, wie uns ein entgegenkommender Taxifahrer, ein Zombie, verraten hat. Dreiviertel der Häuser in der Nebenstraße sind nach wie vor unbewohnt. Nachdem unsere drei Taxis uns in Abständen von jeweils fünf Minuten abgesetzt haben, sind wir sofort in Deckung gegangen. Fer, der als einer der Ersten angekommen ist, hat uns mit Hilfe eines Brecheisens Zugang zu diesem leeren Haus verschafft. Es ist kaum möbliert und völlig verstaubt - ganz zu schweigen davon, dass wir im Dunkeln hocken, denn wir wollen nicht riskieren, Mick vorzuwarnen. Dennoch ist dieser Unterschlupf allemal besser, als zwei Stunden lang in Micks vorderem Garten Versteck zu spielen.
Wir sind nur fünf: Sam, Fer, Greg, dessen Ehefrau Tammy und ich. Tammy wirkt zu allem entschlossen und auf ihre stille Art wütend. Wie schlimm die Situation tatsächlich ist, hat sie sich vermutlich erst klargemacht, als Sam Greg anrief. Es ist fast Mitternacht, und wir sind müde, doch ich gehe den Plan nochmals mit allen durch.
»Okay: Ich geh also über die Straße, läute an der Tür und frage nach Cass. Je nachdem, wie Mick reagiert, stürzt ihr euch entweder auf ihn, Sam und Fer, oder ihr haltet euch hinter mir in Bereitschaft. Ich hab die Pfeife dabei. Ein Pfiff bedeutet: Kommt rein und holt mich raus, ich brauche Hilfe. Zwei Pfiffe bedeuten: Schnappt euch Mick.« Ich mache eine kurze Pause. »Greg und Tammy, ihr zieht euch Strümpfe über den Kopf, denn wir wollen nicht, dass Mick euch erkennt, falls ihr Cass mitnehmen und euch um sie kümmern müsst.«
»Ich hoffe nur, dass du Hirngespinste jagst«, sagt Tammy voller Ingrimm.
»Ich auch, das kannst du mir glauben.« Aus den Augenwinkeln blicke ich zu Fer hinüber.
»Mick ist schon seit Langem neben der Spur«, murmelt Fer. »Ich kenne ihn gar nicht anders.«
»Noch was, ehe wir gehen?«, frage ich und will aufstehen.
»Ja«, sagt Fer. »Falls du nicht pfeifst und in zehn Minuten nicht wieder draußen bist, komme ich auf jeden Fall rein.« Er greift nach seinem Brecheisen.
»Das will ich hoffen.« Ich nicke, stehe auf und überquere die Straße.
In Micks von Unkraut überwuchertem Garten ist das Gras in die Höhe geschossen. Durch die Fenster dringt kein Licht, aber das muss nichts heißen. Wie bei unserem Haus gibt es vorne einen Wintergarten. Da die Tür aufsteht, gehe ich hinein und blicke zur Eingangstür. Mir fällt das neue Schloss auf, das groß und klobig wirkt. Als ich an der Tür läute, tut sich nichts. Erst beim zweiten Klingeln geht ein Licht in der Diele an. Innerlich angespannt und gewappnet, höre ich, wie sich ein Schlüssel dreht, danach ein zweites Schloss aufgesperrt wird und die Tür sich schließlich öffnet.
»Du«, sagt Mick und rülpst mich so an, dass ich den säuerlichen Wein in seinem Atem rieche. Er trägt ein verdrecktes T-Shirt und Boxershorts und hält eine geöffnete Blechdose in den Händen. »Was willst du?«, fragt er mit gehässigem Blick. »Hab ich dir nich gesacht, du sollst mich in Ruhe lassen?«
»Ich möchte zu Cass«, erwidere ich in ruhigem Ton. In der Diele stapelt sich irgendwelches Zeug, das nach leeren Lebensmittelverpackungen und Müll aussieht und widerlich süß riecht. »Sie war am Sonntag nicht in der Kirche.«
»Was du nich sachst.« Er trinkt einen Schluck aus der Dose und wirft mir einen verschlagenen Blick zu. »Komm rein.«
Während er sich ins Haus zurückzieht, trete ich ein. Das Haus wirkt wie ein Doppelgänger unseres eigenen, nur ist es mittlerweile völlig zugemüllt. In der Diele modern die aufgerissenen Schachteln von Fertiggerichten und Essensreste vor sich hin, die Zimmerdecke hat ein Leck, und an der Wand hat sich ein stinkender Fleck ausgebreitet. »Sie ist oben und ruht sich aus.« Er deutet auf die Treppe. »Warum gehst du nich rauf und besuchst sie?«
Ich starre ihn an. »Wenn du meinst, dass es ihr nichts ausmacht.«
»Nee, macht ihr nichts aus.«
Während ich die ersten Stufen hinaufsteige, schlängelt er sich an mir vorbei, schließt die Haustür und dreht beide Schlüssel herum. »Geh schon«, sagt er, »brauchst keine Angst zu ham.« Er kichert.
Das gibt den Ausschlag. Jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, ziehe ich gleichzeitig die Pfeife heraus, die unter meiner Bluse verborgen an einem langen Halsband
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