Glashaus
sehr kalten Gasriesen, der seinerseits einen rund dreißig Billionen Kilometer entfernten Braunen Zwerg umkreist. Ich kann Kapitän Vecken das Versprechen entlocken, mich zu defragmentieren und zu reaktivieren, sobald irgendetwas Interessantes auftaucht. Doch bis dahin speichere ich mich im Back-up-Modus ab.
Als ich blinzelnd im A-Tor aufwache, hat sich die Welt ringsum verändert. Fast eine Gigasekunde habe ich geschlafen. In der Zwischenzeit sind wir (nach alter Zeitrechnung der Erde) fast drei »Lichtjahre« langsam durch den Raum getrieben und haben danach, unter den Bedingungen starker Schwerkraft, eine Megasekunde lang ständig an Tempo verloren. Wir befinden uns auf dem Weg zu einem Rendezvous, der Zufluchtsort Delta wartet auf uns. Das Kloster der Inneren Einkehr wurde zwar vernichtet, doch seine Daten konnten im Archiv abgespeichert und gesichert werden. All seine Bits und Atome wurden mittlerweile neu konfiguriert und in die finsteren Strukturen eines militärisch-industriellen Komplexes eingefügt. Kapitän Vecken hat zwar Vorbehalte, sein Schiff dieser Widerstandsgruppe auszuborgen, stellt ihr aber gern eine Reproduktion eines unabhängig arbeitenden Schiffsassemblers zur Verfügung, damit sie mit ihren - bislang stümperhaften und provisorischen - Versuchen, ein nicht verseuchtes Nano-Ökosystem aufzubauen, schneller vorankommen. Und Vecken ist auch gern bereit, mich dort abzusetzen. So kommt es, dass ich die Gruppe der Widerspenstigen kennenlerne.
Als ich mich den Linebarger Cats anschließe, sind sie eine lose Gruppe von Flüchtlingen, Dissidenten und generell aufsässigen Außenseitern, die sich gegen jeden Versuch wehren, über Zustand und Spielraum ihres Bewusstseins zu bestimmen. Sie leben in wenigen, überfüllten Habitaten und geben sich kaum Mühe, die Künstlichkeit der Umgebung zu kaschieren. In den ersten Kilosekunden nach meiner Ankunft, erklären mir die zugeknöpften Paramilitärs (die darauf bestehen, mich zu filzen, als ich aus der Transferkapsel steige), was in der Zwischenzeit passiert ist. Die Verseuchung wird von einem Wurm verursacht, der die Geschichte manipuliert und A-Tore infiziert. Wenn man sich in ein infiziertes A-Tor begibt, löscht er auf brutale Weise Teile des Erinnerungsvermögens (meistens aufs Geratewohl, aber falls man sich noch an irgendwas aus der Zeit vor der Republik Is erinnert, bestehen große Chancen, dass dieses Wissen vernichtet wird). Danach kopiert er seinen eigenen Kern in die Netzverbindung des Opfers. Außerdem umfasst dieser Kern auch einige Bootstrap-Instruktionen. Wenn man ein noch nicht verseuchtes Tor aufsucht, verspürt man automatisch den Drang, es in den Operator-Debugging-Modus zu versetzen, über das sprachgesteuerte Interface Befehle einzugeben und sich danach heraufzuladen. Und an diesem Punkt aktiviert das A-Tor den infizierten Booter in der Netzverbindung des Opfers, kopiert ihn in den eigenen Arbeitsspeicher, und - bäng! - wieder ist ein Tor infiziert.
Assembler stellen eine altbewährte Technologie dar, wurden viele Gigasekunden lang ohne Konkurrenz als neuester Stand der Technik eingesetzt und benutzen alle die gleichen Subsysteme. Benötigt man ein neues A-Tor, gibt man dem erstbesten Assembler einfach den Befehl, sich zu replizieren. Wir wissen nichts über die Ursprünge von Curious Yellow, aber als es erst einmal losgelassen war, hat es sich so perfekt wie irgendein Gas verbreitet und das Netzwerk infiltriert, bis es überall präsent war.
Allerdings braucht ein Wurm gewisse Zeit, ein Netzwerk von A-Toren zu durchdringen, wenn er im Stealth-Modus arbeitet, getarnt vorgeht und menschliche Gehirne als Überträger der Infektion nutzt. Doch wenn die Verseuchung erst einmal eine kritische Masse erreicht hat, ist es buchstäblich unmöglich, den Wurm daran zu hindern, sich in einem ganzen Gemeinwesen auszubreiten.
Sobald das Aktivierungssignal ausgeschickt wird, beschleunigt sich alles. Plötzlich tauchen Instruktionskanäle mit privilegiertem Status auf. Die infizierten Tore erzeugen Abwehrmechanismen und gesicherte Netzverbindungen zu den nächsten T-Toren und fangen an, direkt miteinander zu kommunizieren, um Instruktionen und Informationen auszutauschen. Das Pfiffige an Curious Yellow besteht darin, dass infizierte A-Tore als Peer-to-peer-Netzwerk einander Datenpakete mit Botschaften schicken können. Wenn man über die richtigen Kennungscodes verfügt, kann man einem weit entfernten Tor, das mit Curious Yellow infiziert ist,
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