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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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»Kapuze«, der Tasche, und stinkt nach Angstschweiß. Jetzt wird ihm jeden Moment klar werden, dass ich ihn nicht am Leben lassen kann, und dann wird er sich unberechenbar verhalten. Vielleicht bleiben mir noch zwanzig Sekunden …
    »Wenn mein Ehemann * * * sagt, kann ich ihn nicht hören«, bemerke ich im Plauderton. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Das bedeutet, dass du mit Curious Yellow infiziert bist.« Er klingt merkwürdig selbstgefällig.
    »Du hast einen Doppelgänger von dir hergestellt, der als Wächter aufpassen sollte, wer hier hereinkommt. Das war schlau. Hattest du Angst, ich könnte das A-Tor benutzen?«
    »Ja«, erwidert er knapp.
    »Das Tor ist immun gegen den Strang, mit dem ich infiziert bin, stimmt’s?«
    Ich spüre, wie seine Muskeln sich anspannen. »Ja«, gibt er widerstrebend zu.
    »Und Yourdon hat nicht darauf bestanden, dass es für deine Netzverbindungen gesperrt wird?«, frage ich angespannt, denn jetzt hängt alles von der richtigen Antwort ab.
    Er bestätigt meine Annahme zwar nicht ausdrücklich, beginnt aber, seine Hände auseinanderzuziehen, und grunzt dabei. Ich weiß einfach, dass ich recht habe. Allerdings weiß ich auch, dass mir nur noch rund drei Sekunden bleiben. Also trete ich nahe hinter ihn und lasse meine rechte Hand zärtlich an seinem Brustkorb heruntergleiten. Als ich bis zu seinen Geschlechtsteilen gelangt bin, erstarrt er. Es ist ein erlösender Moment für mich: Anatomisch betrachtet ist er ein Orthohumaner und männlich. Während ich nach seinen Hoden greife und sie hinterhältig quetsche, klappt er sprachlos und nach Luft schnappend nach vorn - so vehement, dass er mich dabei fast umwirft. Die Tasche segelt davon. Aber das macht nichts, denn gleich darauf packe ich ihn beim Haar. Und während der atemberaubende, grässliche Schmerz im Unterleib ihn noch voll in Anspruch nimmt, zerre ich seinen Kopf nach oben und ziehe das Messer schnell durch seine Halsschlagader und die Schilddrüsenknorpel unmittelbar unterhalb des Zungenbeins.
    Ich muss hier anmerken, dass zwischen mir und Fiore ein wesentlicher Unterschied besteht: Mir macht das Töten keinen Spaß, aber ich weiß, wie man’s macht; dagegen wird Fiore geil, wenn er seinen Machtfantasien nachgibt und zusehen kann, wie seine punkteversessenen Huren Liebespaare lynchen. Allerdings ist er nicht auf die Idee gekommen, dem Assembler zu befehlen, ihn mit einer Waffe in der Hand zu duplizieren. Und er hat fast zwanzig Sekunden gebraucht, bis ihm klar wurde, dass ich keine andere Wahl habe, als ihn zu töten - völlig unabhängig von allem, was er tut und sagt. Im Grunde ist Fiore der typische Schreibtischmörder, der lediglich auf den Knopf drückt und seine Experimente mit Hilfe einer Fernbedienung durchführt. Ich dagegen …
    Und wieder gehen die Lichter bei mir aus.

    Der Bürgerkrieg dauert zwei Gigasekunden, nach der Zeitrechnung der längst zugrunde gegangenen Erde fast vierundsechzig Jahre. Wahrscheinlich tobt er immer noch in irgendwelchen abgelegenen Winkeln des von Menschen besiedelten Raums. Als das Langstrecken-Netzwerk bei dem Versuch zerschlagen wurde, die Katastrophe durch Firewalls einzudämmen, hat sich das interstellare Netz in einzelne Domänen aufgespaltet, die aufgrund der Phasenverschiebung der mit Lichtgeschwindigkeit arbeitenden Kommunikation voneinander abgeschottet sind. Da draußen, in der ewigen Dunkelheit und Kälte jenseits des befreiten Lichtkegels, gibt es wahrscheinlich immer noch isolierte Winkel, in denen Curious Yellow aktiv ist - genauso, wie es da draußen noch Außenposten von Posthumanen geben mag, die aus dem Netz herausgefallen sind, als die Republik Is sich auflöste, und jetzt fernab vom Rest existieren. Die »Neubearbeitung« von Menschen, die Zerstörung ihres Gedächtnisspeichers, ist die tödlichste Waffe, über die Curious Yellow verfügt. Manche dieser Gemeinwesen wurden möglicherweise absichtlich dem Vergessen anheimgegeben, ihre nächsten, aus T-Toren bestehenden Endpunkte in Sterne verlagert, wo sie heute noch begraben sind, und die Erinnerungen an ihre Existenz bei jedem gelöscht, der ein infiziertes A-Tor benutzt hat. Das wirklich Entsetzliche an Curious Yellow ist, dass wir nie erfahren werden, wie viel uns verloren gegangen ist. Möglich, dass ganze Kriege, in denen Völkermorde begangen wurden, so aus unseren Erinnerungen ausradiert wurden, als hätten sie sich nie ereignet. Vielleicht erklärt das auch den speziellen Rachefeldzug, den der Wurm gegen

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