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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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aktive Geschichtsforscher und Archäologen führt. CY oder dessen Schöpfer hat Angst davor, dass wir uns an gewisse Dinge erinnern …
    Die ersten Gigasekunden unter den Cats verbringe ich in Gestalt eines Panzers. Sobald ich ein klares Bild von dem habe, was vor sich geht, bleibt nur wenig Menschliches von mir übrig. Es fällt mir nicht schwer, aus den Erzählungen über scheinbar willkürliche Gräueltaten, die sich ausschließlich gegen mit der Vergangenheit befasste Menschen richteten, allgemeine Schlüsse zu ziehen. Und die Gigasekunde der Nichtexistenz, die ich an Bord der Grateful for Duration verbracht habe, ist schon an sich ein kleiner Tod gewesen. Diese Zeit hat ausgereicht, Kinder zu Erwachsenen reifen zu lassen; Lebensgefährten sind in dieser Zeit verzweifelt und haben getrauert, um später ihr Leben irgendwie fortzusetzen. Selbst wenn ein Wunder geschehen sein sollte und meine Familie für meine berufliche Tätigkeit nicht hat büßen müssen, nicht gezielt vernichtet wurde, ist sie für mich verloren. Eine solche Erfahrung bringt einen leicht dazu, bitter zu werden. So bitter, dass man die Menschheit als völlig vermurkst aufgibt. So bitter, dass man mit anderen, noch bösartigeren Identitäten herumexperimentiert.
    Zu meinem Körper ist anzumerken, dass er etwa zwei Tonnen wiegt und das vordere Fahrgestell eine Höhe von drei Metern erreicht. Mein Nervensystem ist kein biologisches: Ich arbeite als Echtzeit-Simulation und empfange Sinneswahrnehmungen durch die schmerzempfindlichen Nerven meines Panzers. (Die langfristigen Risiken eines völligen Überwechselns in die virtuelle Realität sind wohlbekannt, allerdings bis zu einem gewissen Grad vermeidbar, sofern man sich einen bestimmten Körper bewahrt und in der realen Welt verankert bleibt. Außerdem haben wir es hier mit einer Krisensituation zu tun.) Falls nötig, kann ich mein Denken auf das Zehnfache der normalen Geschwindigkeit beschleunigen. Meine Haut besteht aus einer bizarren Armierung, ist aus monokristallinen Diamanten geformt, die in einer stoßdämpfenden Matrix von Quantenpunkten festsitzen. Diese Matrix kann sich schnell jedem Hintergrundkolorit anpassen - von Hochfrequenzen bis zu schwachen Röntgenstrahlen. Anstelle von Fingernägeln habe ich einziehbare Klauen aus Diamanten und anstelle von Fäusten, die sich ballen und gezielt zuschlagen könnten, Strahlengewehre. Ich esse nicht, atme nicht, scheiße nicht. Stattdessen beziehe ich meine Energie aus einer Spirale, die sich um den endlosen Plasmastrom windet, der sich aus der Fotosphäre eines verborgenen Sterns ergießt.
    Als nom de guerre wähle ich Liddellhart , Hasenfuß. Die anderen Cats wissen nicht, was mein Name bedeutet. Vielleicht erklärt das, warum ich im Laufe von vierhundert mörderischen Megs und sechzehn Einsätzen schließlich zum virtuellen Oberfeldwebel befördert und hundertfach repliziert werde. Anders als bei Loral und einigen anderen stürzt mein System nicht ab, wenn irgendein Problem auftaucht. Und ich leide weder unter Schock noch unter psychischer Dissoziation, als mir klar wird, dass wir gerade zwölftausend Zivilisten enthauptet und ihre Köpfe in einen taktischen Assembler geworfen haben, der stillschweigend dabei versagt, ein Back-up von ihnen anzulegen. Ich zögere auch nicht, bei einem selbstmörderischen Angriff sechs meiner Doppelgänger zu opfern, um dem Rest des Sturmtrupps Zeit zu geben, sich zurückzuziehen. Ich empfinde kaum etwas bis auf eiskalten Hass, und obwohl mir abstrakt klar ist, dass ich krank bin, bin ich nicht willens, um ärztliche Hilfe zu bitten, denn das könnte meine Kampffähigkeit beeinträchtigen. Und auch unsere Führer, die sich bedeckt halten und im Verborgenen über uns alle wachen, halten es offenbar nicht für angebracht, sich über mich hinwegzusetzen.
    In der ersten Gigasekunde führen wir den Kampf mit traditionellen Mitteln. Wir stoßen auf halb vergessene A-Tore, die zu von Curious Yellow beherrschten Gemeinwesen führen, sprengen die Assembler, die sie als Firewalls gegen Einwanderer benutzen, schaffen einen Brückenkopf, erkämpfen uns den Weg hinein, installieren unsere eigenen, sauberen A-Tore und treiben die Zivilbevölkerung gewaltsam hindurch, um alle Spuren von Curious Yellow aus ihren Köpfen zu entfernen. Diejenigen, die überleben, danken uns hinterher meistens dafür.
    Anfangs ist es relativ leicht, doch später müssen wir feststellen, dass wir Gemeinwesen angreifen, die über eine stärkere Abwehr

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