Glashaus
man seine Sauerstoffgebühren zahlt. (In den Ersteren kann man sich wunderbar zur Ruhe setzen und häuslich niederlassen, während die Letzteren wunderbare Zufluchtsorte darstellen, wenn man schnell abtauchen muss.) Infolge der staatlichen Zersplitterung nach dem Krieg kommen wir zwangsläufig viel herum, wechseln unser Äußeres und manchmal auch unsere Erinnerungen, spalten uns in mehrere Verkörperungen auf und verschmelzen Kopien verschiedener Zustandsvektoren miteinander.
Zunächst leben wir von dem Kapital, das durch die offizielle Auflösung der Cats freigesetzt wurde. Später ergänzen wir unsere Einnahmen, indem wir als Aushängeschilder - und Fassaden für unsere Aktivitäten - diverse Unternehmen ins Leben rufen. (Falls jemand je vom Mordkommando Tödliche Viper gehört hat oder von Cordwainers Schwerindustrie : Das sind wir .) Unsere Einsätze führen wir als Zellen durch, die lose miteinander verbunden sind. Ich bin einer der Frontmänner, denn bei mir verbindet sich Kampferfahrung mit Kenntnissen und Fertigkeiten, die ich im Geheimdienst erworben habe.
Etwa fünfzig Megasekunden nach dem offiziellen Waffenstillstand erhalte ich Marschbefehl zu einem Einsatz im Gemeinwesen Jadegrüner Sonnenaufgang . Es ist ein Gemeinwesen, das die Verwendung von Technologien streng begrenzt hat, also begebe ich mich in natürlichem, menschlichem Körper dorthin, getarnt als umherziehender Instrukteur für Schwertkämpfe. Auf dem Grauen Markt kann ich an so viel militärische Wetware herankommen, dass ich die nötigen Schritte beherrsche und ein Haar in der Luft spalten kann. Falls diese Tarnung auffliegt, habe ich noch eine weitere. In dieser Version meiner Geschichte gebe ich mich als Flüchtling aus, der früher Soldat war, nach der Entwaffnung der Verurteilung in einem beschleunigten Sammelverfahren entgegensah und sich deshalb aus einem Gemeinwesen, in dem keine technologischen Einschränkungen gelten, abgesetzt hat. Das verleiht mir den geeigneten Hintergrund und einen guten Start für die Einführung ins ODESSA -Projekt, wenn ich eine geeignete Zielperson entdecke und den Bauernfängertrick, bekannt als Spanish Prisoner , bei ihr anwenden muss. Solche Jobs habe ich in jüngster Zeit oft erledigt, aber worum es diesmal geht, weiß ich nicht genau.
Der vorgesehene Treffpunkt ist das öffentliche Badehaus in der Straße der Orangenblätter. Es ist eine schmale, stark abfallende, mit Kopfsteinen gepflasterte Straße, die nahe der Hauptstraße im Bezirk der Silberschmiede beginnt und zum Hafen hinunterführt. An diesem schönen Frühlingsnachmittag liegt der schwere Geruch von Geißblatt in der Luft. Draußen vor den Wohnblocks, die wie betrunken aneinanderlehnen, spielen Kinder lärmend mit Wurfhölzern, und wie üblich sind mitten auf der Straße ein paar Fußgänger unterwegs, die sich mühsam hinauf- oder hinunterquälen. Gepäckträger brüllen Rikschafahrern Beleidigungen zu, und beide Gruppen lassen ihre schlechte Laune an dem Schäfer aus, der sich bemüht, eine kleine Herde von Ziegen mit langen, dünnen Beinen den Hügel hinaufzutreiben.
Ich bin schon so lange hier, dass ich mehr oder weniger weiß, was ich tue. Als ich einen Jungen entdecke, der am Rand des Spielfelds herumhängt, schnippe ich mit den Fingern. Er kommt herüber, wobei er sich eher anschleicht als läuft, damit seine Freunde nichts merken. Er ist schmuddelig, halb verhungert, und seine Kleidung ist ausgeblichen und geflickt: für meine Zwecke ideal. Ich lasse eine Münze zwischen zwei Fingern auftauchen. »Willst du so eine?«, frage ich.
Er nickt. »Für Sex bin ich aber nicht zu haben«, lispelt er. Als ich näher hinsehe, merke ich, dass er einen Wolfsrachen hat.
»Will ja auch gar keinen.« Ich zaubere eine weitere Münze hervor, diesmal außerhalb seiner Reichweite. »Das Teehaus. Ich möchte, dass du dich in der Hintergasse umschaust und nachsiehst, ob dort irgendwelche Männer herumlungern. Falls ja, kommst du zurück und erzählst es mir. Falls nein, geh hinein und suche nach einer Frau namens Sanni. Sag ihr, dass der Panzer sie grüßen lässt. Danach kommst du zurück und berichtest mir.«
»Zwei Münzen.« Er streckt zwei Finger hoch.
»In Ordnung. Zwei Münzen.« Noch während ich ihn wütend anstarre, führt er wieder den Trick vor, bei dem er sich in Luft aufzulösen scheint. Ich merke, der Junge hat Talent, er macht das wie ein Profi. Plötzlich kommen mir schwere Bedenken: Vielleicht ist er ein Profi ? Die leicht
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