Glashaus
werde eine Kopie von ihrem Körper ziehen, okay?«
»Verdammter Mist.« Mit einer Resignation, die nicht ganz ohne Komik ist, schüttle ich den Kopf. Als aus dem Inneren des A-Tors ein Klopfen zu hören ist, zucke ich zusammen. Ich habe Mitleid mit Reeve, denn ich kann mich in sie hineinversetzen, und das hier ist entsetzlich. »Wieso?«
»Weil es sein muss, basta.« Janis sieht zu mir auf. »Fiore wird Verdacht schöpfen, wenn du weiter in dieser Kleidung herumläufst. Meinst du nicht auch, dass es für dich an der Zeit ist zurückzukehren?«
»Zurückzukehren? Wohin?«
»Zurück zu deiner Existenz als Reeve«, erklärt sie geduldig.
»Oh. Oh , jetzt kapier ich.«
Der Schlag auf den Kopf hat bei mir Trägheit und Denkfaulheit hinterlassen. Janis hat recht, wir müssen Reeve gar nicht töten. Plötzlich finde ich es gar nicht mehr so schlimm, dass ich Reeve geschlagen und sie in einen Assembler verfrachtet habe, der auf Makro-Ebene Nanostrukturen zerlegt. Wie es einem ja auch weniger ausmacht, sich selbst zu ohrfeigen, als wenn das ein anderer für einen übernimmt.
»Ich werde eine Kopie von ihrer Körpervorlage ziehen, und dann wirst du ihr folgen. Als Nächstes werde ich ein Delta-Update von deinem gegenwärtigen neuronalen Zustandsvektor erstellen und diese Partialladung auf Reeve übertragen. Wenn du wieder zu dir kommst, wirst du in ihrem Körper stecken und mit ihrem wie mit deinem Gedächtnis ausgestattet sein. Allerdings werden deine Erinnerungen dominieren. Glaubst du, das funktioniert?«
Aus dem A-Tor dringt weiteres gedämpftes Klopfen, gefolgt von Würgegeräuschen. Janis hat das Programm zum Kopieren von Makro-Vorlagen in Gang gesetzt und Reeve über deren Netzverbindung bewegungsunfähig gemacht. Jetzt füllt sich die Kammer mit Schaum, der ihren »Abdruck« nimmt und digitalisiert.
»Wehe, wenn nicht«, erwidere ich.
»Ich fürchte, Fiore ahnt schon, was da vor sich geht. Die Sache mit Mick könnte alles auffliegen lassen, falls Fiore eins und eins zusammenzählt.«
Ich seufze tief. »Okay, ich werde wieder Reeve sein, das kommt mir ganz vernünftig vor.«
»Also bist du einverstanden?« Im trüben Licht der von der Decke baumelnden Glühbirnen wirkt Janis ausgezehrt. »Gut, dann ist es wohl doch keine Schnapsidee. Und was tun wir danach?«
»Danach setzen wir uns hin und überlegen, wie wir mit diesem Schlamassel endgültig aufräumen können. Sobald ich weiß, was sie weiß.«
»Also gut.« Um ihre Lippen zuckt ein Lächeln. »Dass du so direkt und nüchtern an die Dinge herangehst, ist immer wieder wie ein frischer Luftzug.«
»Einmal ein Panzer - immer ein Panzer«, rufe ich ihr ins Gedächtnis.
»Stimmt.« Einen Augenblick lang kann ich eine Spur ihres früheren Selbst bei ihr entdecken, und das gibt mir einen Stich ins Herz. »Je eher ich wieder ich selbst bin, desto besser.«
Während der Assembler tuckert, sitzen wir lange schweigend da. Schließlich läutet die Konsole und die Tür entriegelt sich mit einem Klicken. Als ich hinübergehe und sie aufreiße, sieht die Kammer wie immer aus: leer und trocken. Ich blicke zu Janis hinüber, die mich, wie ich merke, beobachtet. »Bist du so weit?«, fragt sie.
»Wir sehen uns auf der anderen Seite wieder, Sanni«, erwidere ich, während ich die Tür schließe.
Mehr Worte verlieren wir nicht.
Die Sicherheitszelle Blau gehörte früher zur Abteilung Spionageabwehr der Linebarger Cats. Nach Ende der Zensurkriege wurde sie angeblich aufgelöst, wobei alle Erinnerungsspuren gelöscht wurden. Allerdings weiß ich, dass das keineswegs der Wahrheit entspricht, denn ich gehöre dieser Zelle immer noch an. Wir haben uns nicht aufgelöst, sondern sind in den Untergrund gegangen, weil unsere Mission noch nicht abgeschlossen ist.
Unsere Arbeit ist riskant, denn unsere Aufgabe besteht darin, skrupellosen Leuten unangenehme Dinge anzutun. Es kostet Geld, viel Geld, unsere Spuren zu verwischen, und über die Grenzen der Gemeinwesen hinweg ist an dieses Geld nicht immer leicht heranzukommen. Die örtlichen Milizen und Regierungen haben sich erneut Wechselkurse, Währungsdeckungen und eine Unmenge anderer uralter Verfahren ausgedacht. Manche Gemeinwesen sind relativ offen, während andere in ein Stadium zurückgefallen sind, in dem Warlords regieren. Manche Gemeinwesen legen großen Wert auf Authentifizierung und das Registrieren einzigartiger Merkmale. Anderen dagegen ist es völlig gleichgültig, für wen man sich hält oder ausgibt, solange
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