Glashaus
Meter vor seiner rechten Hand an der Schwertspitze leuchtet, ist die Waffe völlig unsichtbar.
Pech für ihn. Ich wappne mich, drücke für den Bruchteil einer Sekunde auf den Abzug, lasse los und versuche, das widerwärtige Nachglühen in meinen Augen durch Zwinkern loszuwerden. Es folgt ein wahnsinnig lauter Donnerschlag, dann riecht es ekelerregend nach Ozon und versengtem Fleisch, und meine Arme tun mir weh. Als der Schwertgriff über die ausgetretenen Steinplatten schlittert, springe ich hastig aus dem Weg, denn ich habe keine Lust, durch einen dummen Zufall einen Fuß einzubüßen. Danach sehe ich mich um und verlasse mich darauf, dass der Sensor, der meine Peripherie abscannt, mir schon melden wird, falls sich hier noch weitere Personen aufhalten.
»Abschaum!«, zische ich in die Richtung von Mr Schneidig. Das, was ich eben getan habe, macht mir seltsamerweise kaum zu schaffen. Es wäre mir nur lieb, wenn das Nachglühen schneller verschwinden würde. Eigentlich soll man ein Strahlengewehr nur mit einer Schutzbrille benutzen, doch dafür ist mir keine Zeit geblieben.
Das Strahlengewehr ist eine simple Waffe: eigentlich nur ein winziges T-Tor, das (mittels eines weiteren Paars von T-Toren, die als Schleuse fungieren) mit einem Endpunkt verbunden ist, der um die Photosphäre eines riesigen Sterns kreist. Zwar ist die Reichweite dieser Waffe sehr begrenzt, aber sie kann einen gewaltigen Schlamassel anrichten, denn sie zerstört alles, was nicht rundum gepanzert ist. Man kann sie weder blockieren noch stören, da sie im Grunde ja nur aus zwei Wurmlöchern besteht, die durch einen Superstring miteinander verbunden sind. Allerdings hat sie auch Nachteile: Es summt in meinen Ohren, und ich kann jetzt schon spüren, wie meine Gesichtshaut infolge frischer Strahlungsverbrennungen juckt. Darüber hinaus hat sie, glaube ich, zwei Krypten verschmort und zum Schmelzen gebracht. Der Einsatz von Strahlengewehren gilt bei echten Duellanten als schlechter Stil - überhaupt lehnen sie ja alles ab, was nicht auf der Kampfkunst der eigenen Hände basiert -, deshalb hat mein Gegner wohl kaum mit so was gerechnet.
»Bei einem Feuergefecht sind Klingen fehl am Platz«, belehre ich Mr Schneidig, ehe ich mich von ihm abwende. Das gibt seinem rechten Arm noch kurz zu denken, dann fällt er ab.
Der Rest meines Heimwegs verläuft ohne Zwischenfälle, doch als ich endlich zu Hause ankomme, zittere ich aufgrund des nachwirkenden Schocks so sehr, dass meine Zähne klappern. Nachdem ich die Tür geschlossen habe, befehle ich ihr, mit der Wand zu verschmelzen. Danach lasse ich mich auf den einzigen Stuhl fallen, der in der Zimmermitte steht, solange das Bett nicht ausgezogen ist.
Wusste er, dass ich kein Back-up angelegt habe? Hat er gemerkt, dass mein früheres Selbst nicht alle Verteidigungsreflexe hat löschen lassen? Ist ihm noch aufgefallen, dass mir bekannt war, wie ich in der Unsichtbaren Republik an eine Strahlenwaffe komme? Keine Ahnung. Aber ich weiß , dass soeben jemand versucht hat, mich heimlich und ohne Zeugen umzubringen, und zwar ohne das übliche, auf das Duell folgende Auferstehungsritual für mich vorzusehen. Und das lässt mich vermuten, dass meine Gegner mich vom Netz abkoppeln wollen und gleichzeitig nach meinen Back-ups suchen, um daran herumzupfuschen. Im Klartext: Es handelt sich um versuchte Identitätsberaubung, und das ist ein Kapitalverbrechen, das die meisten Gemeinwesen als weitaus schlimmer als einen Mord einstufen.
Jetzt geht kein Weg mehr daran vorbei: Ich muss ein Back-up anlegen - und danach Zuflucht im Yourdon-Experiment suchen. Als isoliertes Gemeinwesen, von allen übrigen abgeschnitten, solange das Forschungsprojekt läuft, müsste es eigentlich ein Ort sein, wie er sicherer nicht sein könnte. Vorausgesetzt, keiner meiner Verfolger hat sich freiwillig als Proband gemeldet …
3
der kern
ES KOSTET KEINE MÜHE, ein Back-up anzulegen. Was mir Probleme bereitet, ist der Umgang mit den Nachwirkungen.
Als Erstes muss man ein A-Tor finden, das Back-ups herstellen kann (was lediglich bedeutet, dass die Kabine so groß sein sollte, dass sie einen menschlichen Körper aufnehmen kann, und der Assembler dergestalt konfiguriert, dass er nicht nur für spezielle Anwendungen, etwa militärische Zwecke, geeignet ist).
Jede Wohnung im Reha-Zentrum ist mit einem A-Tor ausgestattet; es wird nicht nur dazu benutzt, Ausstattungsgegenstände zu reproduzieren und das Abendessen zuzubereiten, sondern
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