Glashaus
gebogen sind. Als ich ihr meine Hand hinstrecke, greift Kay danach. »Ich dachte, wir könnten noch ein bisschen zusammenbleiben.«
Kay drückt meine Hand. »Was glaubst du denn, welche Therapie ich gemeint habe?«
»Soll das heißen, dass du …«
»Still doch, du Dummkopf. Selbstverständlich hab ich gelogen. Dachtest du etwa, ich hätte Lust, dich mit dem Ponymädchen zu teilen?«
Als ich mich zu ihr umdrehe und sie gegen die Wand schiebe, umfängt sie mich plötzlich an allen möglichen Stellen. Gierig greifen unsere Hände nacheinander, wir streicheln uns und pressen uns aneinander. Kays Mund schmeckt nach ihr selbst und nach den Gewürzen des Mittagessens: unbeschreiblich exotisch.
Irgendwann landen wir in einem Separée irgendwo im Grünen Labyrinth. Es gehört zu Ruheräumen, die keiner von uns je besucht hat. Beide sind wir nackt, verschwitzt, müde, aber in Hochstimmung. Als wir das letzte Mal miteinander schliefen, steckte die nackte Kay in dem natürlichen menschlichen Körper, den sie sich für intime Situationen vorbehält. Doch diesmal ist es anders: Mit ihren vier geschickten Händen kann sie Dinge anstellen, die mir Lustschreie entlocken und mich für eine ganze Ewigkeit an den Rand des Orgasmus bringen. Ich wünschte, ich könnte ihr Ähnliches zurückgeben. Vielleicht werde ich es eines Tages tun, falls ich mich dazu durchringen kann, ebenfalls eine so fremdartige Gestalt anzunehmen. Normalerweise macht es mir nichts aus, einem derart ausgeprägten menschlichen Selbstbild verhaftet zu sein, doch Kay ruft mir meine Grenzen deutlich ins Bewusstsein.
Danach wälzt sie sich auf die Seite, und ich nehme sie in die Arme.
»Die wollen keine Paare«, sagt sie leise.
»Du hast aber gesagt, dass ich unbedingt dahin muss.«
»Stimmt.« Sie scheint es nicht sonderlich schwer zu nehmen. Ich hab sie nie danach gefragt und weiß es nicht - aber ist das zwischen uns wirklich nur ein ausgedehnter Fick?
»Ich muss ja nicht gehen.«
»Falls du in Gefahr bist, würde ich dich lieber in Sicherheit wissen.«
Als ich ihre Brust mit einer Hand umfasse, zittert sie leicht.
»Mir wär’s auch lieber, in Sicherheit zu sein. Aber mit dir zusammen.«
»Wir hätten andere Körper als jetzt«, murmelt sie. »Wahrscheinlich würden wir einander nicht mal erkennen.«
»Würdest du damit klarkommen?«, frage ich besorgt. »Wo du doch so menschenscheu bist …«
»Ich könnte ja so tun, als wäre es eine Verkleidung auf Zeit. Denk daran, dass ich das auch früher schon gemacht habe.«
Oh. »Wir müssten lügen«, schlüpft es mir unwillkürlich heraus.
»Wieso? Wir sind doch eigentlich gar kein Paar« - mein Herz setzt einen Schlag lang aus -, »noch nicht.«
»Bist du mono? Oder poly?«
»Beides.« Ihre Brustwarze stellt sich unter meinen Fingerspitzen auf. »Allerdings ist das emotionale Gleichgewicht leichter zu wahren, wenn man nur einen einzigen Partner hat.« Ich merke, wie ihr Rücken sich leicht anspannt. »Bist du ein eifersüchtiger Typ?«
Ich muss scharf nachdenken. »Eigentlich nicht, glaube ich, allerdings ich bin mir nicht sicher; dazu erinnere ich mich zu wenig an diese Dinge. Aber … vorhin, als Linn uns zum Bleiben eingeladen hat, war ich, glaube ich, nicht eifersüchtig. Solange es unter Freunden passiert.«
»Gut.« Sie dreht sich zu mir herum, stemmt sich mit den Armen hoch und klettert auf mich drauf, bis sie oben sitzt. Sie hockt dort wie eine Spinnengöttin, die sich irdischen Freuden hingibt. »Dann ist es ja eigentlich gar nicht gelogen, wenn wir denen erzählen, wir hätten keine auf Dauer angelegte Beziehung. Versprichst du, dass du nach mir Ausschau hältst, wenn wir drinnen sind? Oder auch danach, falls du mich nicht finden kannst - beziehungsweise doch noch beschließt, nicht an dem Experiment teilzunehmen?«
Als ich ihr aus dem Abstand von wenigen Millimetern in die Augen blicke, sehe ich, dass sich darin Gier, Lust und Unsicherheit spiegeln. »Ja«, sage ich, »das verspreche ich dir.«
Das gefällt der Spinnengöttin. Gleich darauf steigt sie nieder, hinab zu ihrem Gefährten, spreizt ihm mit ihren vier Händen die Arme und Beine und bearbeitet ihn mit Mund und Gliedern. Während das Männchen sich seinerseits fragt, ob das ihr letztes Zusammensein ist.
Als ich mich nach unserem Rendezvous allein auf den Heimweg mache, versucht mich jemand zu ermorden.
Entgegen meinem Versprechen Piccolo-47 gegenüber habe ich noch immer kein Back-up von mir angelegt. Irgendwie kommt mir
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