Glashaus
Bodenniveau zu erleichtern. (Automobile habe ich, glaube ich, schon mal irgendwo gesehen, aber was ist ein »Lastwagen«?). An diesem Punkt gelangt die Simulation an ihre Grenzen, denn die Umgebung hier soll zwar so aussehen wie die Oberfläche eines Planeten, aber der »Himmel« ist in Wirklichkeit ein Display rund zehn Meter über unseren Köpfen, und die »Straße« verschwindet in Tunneln, die sich in beide Richtungen über zweihundert Meter erstrecken. Darin sind die Eingänge zu T-Toren verborgen. Vor den Tunneln gibt es Absperrungen aus kultivierten Pflanzen, die uns daran hindern sollen, in die Wände hineinzurennen.
Die Simulation ist recht gelungen, wenn man bedenkt, dass sie nach Auskunft des Slate in Wirklichkeit mehrere Habitatzylinder umfasst, die in Gürteln voller Raumtrümmer rund um drei oder vier Braune Zwerge kreisen. Der Abstand zwischen den Zwergen beträgt hundert Billionen Kilometer reinen Vakuums. Aber mit irgendeiner Wirklichkeit hat diese Simulation natürlich nicht viel gemein.
Unser Haus …
Ich verlasse die winzige Kammer, in der Sam und ich materialisiert sind, und sehe mich um. Die Kammer liegt in einer Art Vorbau, hat einen Fußboden aus groben Keramikfliesen und dünne, transparente Wandverkleidungen (Sam bezeichnet sie als »Fenster«); davor hängen Lamellen aus weißen Plastikstreifen, die sich nach oben hin wellen. Überall ist irgendwelches Zeug verteilt. An der Wand baumeln Körbe mit kleinen bunten Pflanzen. Die Tür besteht aus Holzteilen, die kunstvoll eine transparente Scheibe umrahmen, davor liegt eine grobmaschige, teppichähnliche Matte, deren Zweck ich nicht erraten kann. Das, was ich sehe, als ich die Tür aufstoße, ist noch verwirrender.
»Ich dachte, das hier soll eine Wohnung sein?«, sage ich.
»Die hatten ihre Privatsphäre nicht gut im Griff.« Sam sieht sich um, als versuche er, irgendwo Artefakte zu entdecken, die ihm irgendetwas sagen. »In der Öffentlichkeit war ihre Anonymität nie gewährleistet. Und sie besaßen auch keine T-Tore. Also verlegten sie ihre ganze Privatsphäre in ihre Heimstatt, in eine einzige architektonische Struktur. Man nennt das ›Haus‹ oder ›Gebäude‹, und es hat viele Räume. Das hier ist nur die ›Diele‹, der Eingangsbereich.«
»Ganz wie du meinst.« Ich komme mir wie ein Blödian vor. Im Haus selbst stehe ich unversehens in einem Durchgang, von dem aus auf drei Seiten Türen abgehen. Ich schlendere von Raum zu Raum und reiße ungläubig Mund und Augen auf.
Unsere Vorgänger hatten Teppiche. Der hier ist so dick, dass er das nervende Klappern meiner Absätze dämpft. Die Wände sind mit irgendeinem Stoffdruck überzogen und in keiner Weise interaktiv, aber ganz angenehm fürs Auge. Die Fenster des vorderen Zimmers bieten Aussicht auf einen kleinen Hügel, der mit farbenprächtigen Blumen bepflanzt ist, die Fenster im hinteren Zimmer haben einen Ausblick auf einen Rasenstreifen, dessen Gras gestutzt ist. Alle Räume sind mit Möbeln vollgestopft. Es ist klobiges, schweres Zeug aus speziell zugeschnittenen Holz- und Metallteilen; einiges besteht auch aus Material, das ich für geschliffenes Diamantglas halte. Offenbar hatten sie eine Vorliebe für rechte Winkel, denn die geschwungenen Formen beschränken sich auf kleine Gegenstände und einige obskure Exemplare veralteter Gerätschaften. Hinten gibt es einen Raum mit vielen Stahloberflächen, einem Objekt, das wie ein offener Wasserbehälter aussieht, und Schränken mit vielen seltsamen Apparaturen. Unterhalb der Treppe finde ich einen weiteren winzigen Raum, der eine eindeutig erkennbare, aber primitiv wirkende Hoch-Schwerkraft-Toilette birgt.
Anschließend streife ich durch den oberen Gang, reiße Türen auf und versuche herauszufinden, wozu die Zimmer rechts und links dienen sollen. Unsere Vorfahren haben jedem Zimmer eine andere Funktion zugewiesen, allerdings scheinen die meisten mehrere Zwecke zu erfüllen. Eines könnte ein Badezimmer sein, wäre es nicht so groß und vollgestopft. Alle Hygienemodule sind ausgefahren und so erstarrt, als wären die Einzugsmechanismen kaputt. In zwei Zimmern befinden sich Schlafpodeste und große Holzschränke. Ich sehe in einen hinein, doch er ist leer, bis auf eine Stange, die sich über die ganze Länge erstreckt. Daran hängen irgendwelche mit Haken befestigte Bügel.
Das alles ist so verwirrend, dass ich mich erst mal aufs Bett setze und meinen Slate heraushole - genau in dem Moment, als er sich von sich aus meldet. Was
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