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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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flüssigen bunten Würzmitteln. Eine Weile beschäftige ich mich mit meinem Teller, denn ich habe wirklich Hunger, und das Essen ist durchaus schmackhaft, wenn auch ein bisschen primitiv. Wenigstens werden wir hier drinnen nicht verhungern. Bald darauf fühle ich mich gesättigt.
    »Ich weiß nicht, ob wir das wirklich können«, murmelt Sam mit vollem Mund. »Ich meine, dieses Punktesystem …«
    »Hindert uns an nichts«, falle ich ihm ins Wort und schiebe meinen Teller weg. »Wir müssen uns nur darin einig sein, es zu ignorieren, dann können wir alles tun, was wir wollen.«
    »Da könntest du recht haben.« Er spießt ein Stück Steak auf seine Gabel und schiebt es sich in den Mund.
    »Im Übrigen wissen wir ja gar nicht, was sie als Verstoß gegen die Regeln werten. Ich meine, was muss ich anstellen, um einen Punkt einzubüßen? Oder Pluspunkte zu machen? Eigentlich haben sie uns gar nichts erklärt, sondern nur gesagt: Befolgt die Regeln und sammelt Punkte. « Ich deute mit der Gabel auf ihn. »Auf unseren Slates sind Hinweise gespeichert, das ganze Geschwätz darüber, dass es sich um eine genetisch determinierte Gesellschaft handelt, in der all diese bizarren Sitten herrschen. Aber ich sehe nicht ein, wieso uns das tangieren muss, es sei denn, wir selbst lassen es zu. Jede Gesellschaft ist bis zu einem bestimmten Grad flexibel. Diese Jungs haben sich einfach die erstbeste enge Auslegung der Normen zu eigen gemacht, die ihnen in die Finger geraten ist. Meiner Meinung nach sind die ganz einfach faul gewesen.«
    »Aber wie wird der Rest der Gruppe dazu stehen?«
    »Dazu stehen?« Ich starre Sam an. »Man hat uns zu hundert Megs in dieser Gesellschaft verdonnert. Glaubst du wirklich, denen ist der Bonus am Ende des Experiments derart wichtig, dass sie dafür klaglos diese blöden spitzen Schuhe tragen und drei Jahre lang mit wunden Füßen herumlaufen?«
    »Das hängt von verschiedenen Faktoren ab.« Sam legt sein Messer nieder. »Es hängt davon ab, ob sie anderen Gruppenmitgliedern ohne große Bedenken Belastungen aufhalsen, damit sie später die Belohnung einsacken können.« Offenbar wiegt er das eine gegen das andere ab. »Das Protokoll dieser Simulation, diese Versuchsanordnung ist … zumindest recht interessant.«
    »Okay.« Ich stehe auf. »Wir können ja einen Test machen.« Ich streife mein Jackett ab und lege es über die Stuhllehne. Zwei der essenden Zombies sehen sich nach mir um. »He, schaut mal her!«, rufe ich, ziehe den Reißverschluss meines Kleides auf und lasse es auf meine Fersen gleiten. Sam ist schockiert, wie ich ihm ansehe, während ich hinter mich greife, meinen Büstenhalter aufhake, ihn fallen lasse, auf den Stuhl steige, Strumpfhose und Slip ausziehe. »Schaut her!« Als Sam mich mit bestürzter Miene mustert, spüre ich eine Hitzewallung im Gesicht.
    Gleich darauf leuchtet ein rötlicher Blitz auf, der mir die Sicht nimmt, und meine Netzverbindung schrillt los. So laut, als wolle sie uns vor Druckabfall warnen - ein Alarm, den die Kinder bei uns fürchten lernen, noch ehe sie laufen können. ABZUG VON ZEHN PUNKTEN FÜR NACKTES AUFTRETEN IN DER ÖFFENTLICHKEIT, teilt mir die Netzverbindung mit.
    Als ich wieder klare Sicht habe, merke ich, dass mehrere Kellner und der Geschäftsführer zu mir eilen und Handtücher und Schürzen hoch strecken, bereit, irgendetwas, alles zu unternehmen, um den entsetzlichen Anblick zu kaschieren. Sam sieht immer noch zu mir hinauf, und er ist nicht der Einzige, der einen roten Kopf hat.
    Als ich vom Stuhl heruntersteige, umringen mich drei oder vier männliche Zombies, alle größer als ich, halten meine Arme fest und tragen mich nach hinten. Ich unterdrücke einen Angstschrei: Ich kann mich nicht mehr bewegen! Sie bringen mich zur Toilette, die den Frauen vorbehalten ist, schieben mich einfach durch die Tür und lassen mich allein. Während ich immer noch nach Luft schnappe, schwingt die Tür nochmals auf, und irgendjemand wirft mir die abgelegte Kleidung hinterher.
    ZEHN PUNKTE ABZUG WEGEN VERURSACHUNG EINES ÖFFENTLICHEN ÄRGERNISSES, leiert meine Netzverbindung herunter. MAN HAT DIE POLIZEI BENACHRICHTIGT. DIE HILFSFUNKTION RÄT IHNEN, DEN VERSTOSS GEGEN DIE KLEIDERORDNUNG ZU BEHEBEN UND DIESES LOKAL UNVERZÜGLICH ZU VERLASSEN.
    Oh, Scheiße, Scheiße … Ich krame einen Augenblick in meinen Sachen herum, streife mir das Kleid über den Kopf und schlüpfe ins Jackett. Die Unterwäsche kann warten. Ich weiß zwar nicht, wer diese »Polizei« ist,

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