Glashaus
mich mit einem Taxi hier abgesetzt, und Angel hat mich beim Aussteigen mit diesem Ding erwischt, glaube ich.« Ich lecke mir über die Lippen. Ich fühle mich eindeutig seltsam. »Wofür hältst du das? Gift?«
»Nicht unbedingt.« Er starrt mich an. Gleich darauf greift er nach seinem Slate und tippt mit dem Zeigefinger darauf. »Da«, er hält ihn mir hin, »offenbar halten sie das für witzig.«
Ich schiebe meine Hände zwischen die Oberschenkel, presse sie zusammen und lese, wobei sich mein Blick trübt. Es prickelt mir im Schritt. »Es ist ein - ha!« Jäher Zorn überwältigt mich. »Diese Schlampen!«
Sam schüttelt den Kopf. »Ich hatte einen wirklich ermüdenden Tag. Aber es klingt so, als wäre deiner recht aufregend gewesen. Kommst nach Hause im Aufzug einer … Und deine Freundinnen pieksen dich, um dich in sexueller Hinsicht zu stimulieren.« Er zieht eine Augenbraue hoch. »Warum, glaubst du, haben sie das getan?« Sam kann in den heikelsten Situationen seinen analytischen Verstand und die Beherrschung bewahren. Ich wünschte, ich hätte die Hälfte seiner Würde, wenn ich unter Druck gerate.
»Ich …« Gewaltsam löse ich meine Hände aus dem Schritt. »Schlampen.«
»Was geht da vor, Reeve? Ist der Druck der Gruppe wirklich so stark?« Er klingt betroffen und mitfühlend.
»Ja.« Ich knirsche mit den Zähnen. Er sitzt zu nahe bei mir, aber ich möchte keine Bewegung riskieren. Die Droge überflutet mich mit heißen, prickelnden Wellen, und ich habe Angst, einen feuchten Fleck auf dem Sofa zu hinterlassen. »Es geht um die Punkte für soziales Verhalten. Uns war ja klar, dass wir die Punkte mit unserer Schar teilen, aber darüber hinaus gibt es weitere Zwänge, von denen wir nichts wussten. Jen und Angel haben mir davon erzählt, aber ich … Scheiße. Außerdem kann man zusätzliche Punkte für … andere Aktivitäten einheimsen.«
»Was meinst du mit anderen Aktivitäten ?«, fragt er sanft.
»Lass deine Fantasie spielen!«, japse ich und stürze ins Bad.
Sam klopft vorsichtig an die Badezimmertür, während ich benommen vor Lust auf dem Boden der Duschkabine kauere, Wellen warmen Wassers gleich einem tropischen Sturm über mich hinwegfegen lasse und versuche, mich wieder sauber zu fühlen. Seit wann weiß ich überhaupt, wie sich ein tropischer Sturm auf der alten Erde angefühlt hat? Ein Teil von mir möchte Sam hereinlassen, doch ich schaffe es, mir auf die Zunge zu beißen und den Mund zu halten. Ich schätze, ich kann Jen und Angel jetzt von der Liste meiner potenziellen Mörder streichen, ertappe mich jedoch dabei, wie ich in der Dusche meiner Fantasie freien Lauf lasse, mir vorstelle, wie ich sie irgendwann allein erwische und mich auf tausend verschiedene Arten an ihnen räche. Selbstverständlich ist mir klar, dass das nur Fantasien sind. An diesem Ort kann man einen Menschen nicht mehr als einmal töten, und wenn man das getan hat, ist derjenige außer Reichweite. Aber etwas in mir will ihnen wirklich wehtun. Und nicht nur, weil sie mir jede Chance genommen haben, irgendwann guten, ehrlichen Sex mit diesem merkwürdig introvertierten, nachdenklichen Bären von einem Gatten zu haben, den ich mir zugelegt habe. Also trainiere ich auf der Gewichtmaschine unten im Keller meine Armmuskeln bis zur Erschöpfung und gehe danach allein und mit unguten Gefühlen ins Bett.
Als der strahlend helle, heiße Sonntag heraufdämmert, ziehe ich widerstrebend das Kleid an, das ich auf Drängen von Jen und Angel gekauft habe, und treffe mich unten mit Sam. Das Kleid hat keine Taschen, und ich weiß nicht, ob ich einen Beutel zur Kirche mitnehmen darf. Wenn ich nicht einmal ein Küchenmesser dabeihaben kann, fühle ich mich ungeschützt. Sam trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte - sehr eintönige Kleidung. Er wirkt gediegen, aber seiner Miene nach fühlt er sich genauso unsicher wie ich. »Fertig?«, frage ich.
Er nickt. »Ich rufe ein Taxi.«
Die Pfarrkirche entpuppt sich als großes Steingebäude in einiger Entfernung von unserem Haus. An einer Seite hat sie einen Turm, der so spitz und achsensymmetrisch wie ein relativistischer Marschflugkörper aussieht (wenn Kriegsschiffe aus Stein bestehen würden, hinten Löcher hineingebohrt wären und drinnen riesige parabolische Glocken hingen). Bei unserer Ankunft bimmeln die Glocken laut, während sich der Parkplatz mit Taxis und Männern und Frauen in zeitgemäßer Kleidung füllt. Ich sehe ein paar Gesichter, die
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