Glashaus
zum Schweigen. »Falls du irgendwelche verrückten Anrufe von ihr bekommen hast, ignoriere sie einfach. Das tut sie nur, um sich wichtig zu machen. Sie wird schon früh genug damit aufhören.«
Ich starre Jen an. »Aber sie hat mir erzählt, dass Mick gedroht hat, ihr was anzutun«, sage ich, während der Zombie uns den ersten Kaffee bringt.
»Na und?« Jen erwidert meinen scharfen Blick. Unter ihrer Maske ist sie eiskalt und stahlhart. »Was geht uns das an? Was sich zwischen einer Frau und ihrem Ehegatten abspielt, ist Privatsache, solange es unseren Punktestand nicht bedroht oder unsere ganze Schar mit hineinreißt. Mal ganz abgesehen von dieser anderen Sache.«
»Welche andere …«
Angel schneidet mir das Wort ab. »Man bekommt auch Punkte fürs Ficken«, erklärt sie mit bewusst neutraler Stimme und schenkt mir wieder einen ihrer seltsamen Blicke. »Ich dachte, das wüsstest du inzwischen.«
»Punkte für Sex ?« Ich muss wohl leicht empört oder schockiert klingen, denn Jens Gesicht entspannt sich und verzieht sich zu einer Maske der Belustigung.
»Nur für Sex mit deinem Gatten, meine Liebe.« Sie trinkt einen Schluck Kaffee und mustert mich abschätzend. »Auch in dieser Hinsicht ist uns etwas aufgefallen. Ich will dir ja nicht zu nahe treten oder so, aber …«
»Wen ich ficke, geht dich überhaupt nichts an«, kontere ich lahm. Mein Kaffee kommt, aber mir ist die Lust darauf vergangen. Mein Mund kommt mir so ätzend trocken vor, als hätte ich gerade ein halbes Kilogramm reinen Koffeins geschluckt. »Ich werde mich für das Treffen in der Kirche herausputzen, versprechen, dass ich brav bin, und alles tun, was ihr sonst noch von mir verlangt, soweit es das Verhalten in der Öffentlichkeit betrifft. Und ich werde mich bemühen, euren Punktestand nicht zu dezimieren. Aber …«, ich schlage beleidigend nahe vor Jens Kaffeetasse mit der Faust auf den Tisch, »ihr werdet mir niemals vorschreiben, mit wem ich mich zusammentue oder was ich mit denjenigen, mit denen ich mich zusammentue, anstelle. Oder mit wem ich schlafe.« Eisiges Schweigen breitet sich aus. Ich nehme einen so unvernünftig großen Schluck von dem heißen Kaffee, dass ich mir den Gaumen verbrenne. »Hab ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Ziemlich klar, meine Liebe.« Jens Augen glitzern so, als wäre ihre Böswilligkeit zu Stahlsplittern geronnen.
Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Also gut. Sollen wir uns jetzt zivilisierteren Themen zuwenden, während wir unseren Kaffee trinken und den Kuchen essen?«
»Keine schlechte Idee«, erwidert Angel, die leicht mitgenommen wirkt. »Wie wär’s, wenn wir später etwas besorgen, das du zur Kirche anziehen kannst? Nur für alle Fälle. Übrigens hab ich mich gerade gefragt, ob du deine Waschmaschine schon ausprobiert hast. Sie hat einige interessante Eigenschaften …« Und schon ergeht sie sich in Erklärungen darüber, wie man in der Welt der Frauen nach den Regeln der Spieltheorie und gelenkt durch die wechselseitige Kontrolle des Spielstandes Punkte erzielen kann.
Am Ende unserer Kaffeepause habe ich das Gefühl zu wissen, wie ich mit den beiden umgehen muss. Angel meint es gut, wägt aber jeden Schritt ängstlicher ab, als ihr selbst guttut. Sie hat Angst davor, aus der ihr zugewiesenen Rolle zu fallen, will ihren Punktestand nicht aufs Spiel setzen und macht sich Sorgen darüber, was die Menschen von ihr halten könnten. Aus all diesen Gründen ist sie leichte Beute für Jen, die sich nach außen hin extravagant gibt und auf aggressive Weise extrovertiert verhält, das aber dazu benutzt, ihre Unsicherheit und den Geltungsdrang zu überspielen. Und das bringt sie dazu, Menschen so lange herumzukommandieren, bis sie klein beigeben. Dabei geht sie rücksichtsloser als alle Menschen vor, an die ich mich aus der Reha-Zeit erinnere - und in der Klinik habe ich einige harte Typen kennengelernt. Die Chirurgen mit Beichtvaterfunktion ziehen solche Menschen leicht an. (Noch beunruhigender finde ich, dass ich solche Menschen offenbar auch früher schon gekannt habe, ohne mich an irgendwelche Einzelheiten zu erinnern. Ich habe nur schemenhafte Vorstellungen von ihnen. Wer sie waren oder was sie mir bedeutet haben, ist in dem Abgrund versunken, wo Erinnerungen verschwinden, wenn ihre Eigner sie nicht mehr benötigen.)
Stillschweigend einigen sich die beiden Frauen darauf, sich selbst für den Rest des Nachmittags zu meinen Einkaufsberaterinnen zu ernennen. Ohne direkt unhöflich zu werden, gehen
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