Glashaus
sie dabei sehr hartnäckig vor. Sie geben sich keine besondere Mühe zu kaschieren, dass sie mich zu einer Veränderung meines Verhaltens bewegen möchten - und zwar so, dass ich mich künftig an solche Richtlinien halte, die ihnen einen Zuwachs an Punkten versprechen.
Nachdem Angel den Kaffee und den Kuchen für uns alle bezahlt hat, begleiten sie mich zu mehreren Salons und Geschäften. Im ersten Salon nimmt sich ein Frisör meiner an. Während Jen irgendwo hingeht, um etwas Persönliches zu erledigen, nimmt Angel neben mir Platz und schwadroniert ohne Ende über irgendwelche Küchengeräte. Der Frisör, ein Zombie, stellt mich ruhig und bearbeitet meinen Kopf mit einer beängstigenden Phalanx von Scheren, Kämmen, Tinkturen und kompakten Apparaten. Als ich endlich vom Stuhl aufstehen kann, muss ich einräumen, dass mein Haar jetzt anders aussieht: Es ist immer noch lang, aber um einige Schattierungen heller, und immer, wenn ich den Kopf drehe, wippt die Mähne wie ein festes Schaumstoffgebilde mit.
»Vielleicht sollten wir dir auch Kleidung für morgen besorgen gehen«, sagt Jen mit breitem Grinsen. Zwar ist es als Vorschlag formuliert, aber bei ihr klingt es wie ein Befehl. Sie führen mich in mehrere Boutiquen, in denen ich meine Kreditkarte präsentieren muss. Jen besteht darauf, dass ich ein Kostüm anprobiere, und während ich ihr zeige, wie es mir steht, weist Angel die bedienenden Zombies an, den Kram, den ich anhatte, zusammenzupacken. Schließlich sehe ich genau wie die beiden anderen aus - drei Damen, die gemeinsam zu Mittag gegessen haben. »Schon viel besser«, bemerkt Jen mit einer Miene, die fast so etwas wie Anerkennung ausdrückt. »Allerdings brauchst du noch ein gründliches Make-up.«
»Ein was?«
Sie lachen mich einfach aus, und das ist wahrscheinlich auch gut so. Hätten sie mir vorher gesagt, was auf mich zukommt, hätte ich wohl die Flucht ergriffen. Und immerhin habe ich fast noch hundert mal zehn Tage vor mir - drei Jahre -, in denen ich jeden Fehler, den ich heute begehe, bereuen darf. Das rufe ich mir immer wieder (und mit wachsendem Angstgefühl) ins Gedächtnis.
Das Licht färbt sich bereits rötlich und senkt sich über den Tunnel am Rande der Welt, als das Taxi, in dem wir eng nebeneinandersitzen, vor meinem Haus hält und die Tür sich öffnet. »Geh schon«, sagt Angel und schiebt mir meinen Beutel zu. »Geh und überrasche ihn. Bestimmt hat er einen langen Tag gehabt und kann eine kleine Aufmunterung gebrauchen.« Mir fällt auf, dass sie das ER wie einen Gattungsbegriff benutzt - den beiden ist egal, wer er ist, wichtig ist ihnen nur, dass er mein Ehegatte ist und wir ihnen Punkte einbringen können.
»Okay, ich geh ja schon«, erwidere ich gereizt. Als ich nach dem Beutel greife und mich umdrehe, sticht mir etwas ins Bein. »He!« Ich sehe mich um, doch das Taxi fährt bereits davon. »Scheiße«, murmle ich, denn mein Bein brennt vor Schmerz. Als ich nach unten lange, spüre ich, dass irgendetwas Sperriges darin steckt, und ziehe es heraus. Es ist eine Art Ampulle, die in einer Nadel mündet. »Scheiße!« In den neuen Schuhen, die sie mich zu kaufen gezwungen haben, stolpere ich den Weg entlang und ins Haus. Die Absätze sind sogar noch höher und unbequemer als beim ersten Paar.
Nachdem ich die Einkäufe abgesetzt habe, mache ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo der Fernseher läuft. Sam liegt mit geschlossenen Augen und gelockerter Krawatte davor, und ich spüre einen Anflug von Mitgefühl. Die Einstichstelle an meinem Bein schmerzt und ruft mir diese unangenehme Geschichte ins Gedächtnis. »Sam, wach auf!« Ich schüttele seine Schulter. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Wer …« Er schlägt die Augen auf und sieht mich an. »Reeve?« Seine Pupillen weiten sich merklich. Wahrscheinlich rieche ich seltsam, denn Jen und Angel haben aus völlig unerfindlichen Gründen einen halben Parfümladen an mir ausprobiert.
»Hilf mir.« Ich setze mich neben ihn und hebe meinen Rock, um ihm die Einstichstelle an meinem Oberschenkel zu zeigen. »Schau mal.« Ich halte die Ampulle so hoch, dass er sie sehen kann. »Sie haben mich erwischt. Was ist das für ein Scheißzeug?« Im Schritt fühle ich mich unnatürlich empfindlich, außerdem ist mir leicht schwindlig, und angesichts dessen, was gerade passiert ist, bin ich beunruhigend entspannt und gelöst.
»Das ist …« Er kneift die Augen zusammen. »Ich weiß es nicht. Wer hat dir das angetan?«
»Jen und Angel. Sie haben
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