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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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fährt er zusammen, versucht aber nicht, mich wegzuschieben. »Ich wünschte nur, wir steckten nicht in diesem Schlamassel.«
    »Ich auch«, sagt er traurig, »ich auch.« Ich lehne mich ein Weilchen gegen ihn, denn im Augenblick kommen mir Worte überflüssig vor. Doch bald darauf stehe ich auf, um wieder in die Garage zu gehen, denn ich bin mir seiner körperlichen Nähe so bewusst, dass es allmählich unangenehm für mich wird.
    Draußen herrscht immer noch Tageslicht, das ich ausnutzen will, denn ich habe ein paar Ideen im Kopf, die ich gern ausprobieren möchte. Falls sich herausstellt, dass ich Kay vor Mick retten muss und er gewalttätig wird, möchte ich angemessen gewappnet sein.

    Am Montag geht Sam wieder arbeiten, genau wie am folgenden Tag und dem Tag darauf - er arbeitet jeden Wochentag, nur nicht am Sonntag. Er wird zum Rechtsberater ausgebildet, was wesentlich interessanter klingt, als es tatsächlich ist. Allerdings bekommt er dabei Einblick in die Gesetze und Gebräuche unserer Vorfahren. Einige große juristische Datenbanken haben die dunkle Epoche fast unversehrt überstanden, und im Rathaus muss jede Menge Büroarbeit erledigt werden. Eine Folge davon ist, dass Sam jeden Tag die gleichen dunklen Anzüge trägt, nur zu Hause nicht, denn es hat sich herausgestellt, dass er dort Jeans und legere Hemden ohne Krawatte tragen darf.
    Allmählich gewöhne ich mich daran, dass er an den meisten Tagen außer Haus ist, und strukturiere meinen Tagesablauf nach einem bestimmtem Rhythmus: Morgens stehe ich auf und koche Kaffee für uns beide. Sobald Sam sich auf den Weg zur Arbeit macht, verschwinde ich im Keller und trainiere, bis ich völlig durchgeschwitzt bin und meine Arme schmerzen. Danach trinke ich nochmals Kaffee, gehe nach draußen und laufe mehrmals die Strecke zwischen den beiden Tunneln hin und zurück. Am Anfang nur dreimal, was einem halben Kilometer entspricht, doch von Mittwoch an steigere ich mein Pensum. Sobald ich nahezu erschöpft bin und ins Stolpern gerate, kehre ich nach Hause zurück, dusche, trinke noch eine Tasse Kaffee und ziehe entweder etwas Seriöses an (sofern ich in die Innenstadt will) oder irgendetwas Legeres (wenn ich vorhabe, in der Garage zu arbeiten).
    Selbstverständlich haben sich mittlerweile weitere Unannehmlichkeiten bemerkbar gemacht. Etwa zwei Wochen nach unserer Ankunft wache ich mitten in der Nacht mit unangenehmen Unterleibskrämpfen auf. Am nächsten Morgen entdecke ich entsetzt, dass ich blute . Natürlich habe ich schon von der Menstruation gehört, aber ich hatte die Gestalter des YFH-Gemeinwesens nicht für derart verrückt gehalten, auch noch dieses Relikt einzuführen. Die meisten anderen Säugetierweibchen absorbieren die abgestoßene Gebärmutterschleimhaut einfach. Warum sollten die Menschen der dunklen Epoche es anders machen? Ich säubere mich, so gut ich kann, muss aber feststellen, dass die Blutung anhält. Ich fühle mich wirklich elend. Als ich mich schließlich dazu überwinde, Angel anzurufen, und sie frage, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, die Blutung zu stoppen, schlägt sie mir nur vor, zum Drugstore zu fahren und nach weiblichen Hygieneartikeln Ausschau zu halten.
    Unsere Lebensmittel und Haushaltsartikel beziehen wir aus den Geschäften der Innenstadt. Normalerweise gehe ich zweimal in der Woche einkaufen. Lebensmittel gibt es entweder in Form abgepackter Fertiggerichte oder als Rohkost, die noch zubereitet werden muss. Aber da ich eine lausige Köchin bin und nur langsam dazulerne, greife ich meistens lieber zu den Fertigmenüs. In dieser Woche tätige ich meine Einkäufe aus gutem Grund früher als sonst, denn wegen der weiblichen Hygieneartikel muss ich dringend zum Drugstore. Dort verkaufen sie Binden, die man in die Unterwäsche einlegt - wirklich ekelerregend. Was werden sie uns als Nächstes zumuten? Die Lepra? Zähneknirschend beschließe ich, mich mit weiterer Unterwäsche einzudecken. Und mit einem Schmerzmittel, das in Form winziger, bitterer Scheibletten angeboten wird. Man muss es schlucken - und dann hilft es noch nicht mal richtig!
    Mit der Kleidung komme ich mittlerweile mehr oder weniger klar. Ich habe mir angewöhnt, Angel oder hin und wieder auch Alice zu bitten, mir Klamotten für die öffentlichen Anlässe auszusuchen. Das bewahrt mich davor, voll daneben zu langen und bei irgendjemandem auf die Schwarze Liste zu geraten. Jen reitet gern darauf herum, dass mein Geschmack in modischen Dingen wirklich lausig ist. Ein

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