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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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seit Beginn des Projekts unsere Bibliothekarin. Aber Janis wird aufhören, deshalb müssen wir eine Nachfolgerin für sie ausbilden.«
    »Sie hört auf?« Ich sehe ihn skeptisch an. »Warum denn?«
    »Weil sie ein Baby erwartet«, erwidert er und bläst einen perfekten Rauchring zur Zimmerdecke.
    Diese Vorstellung ist mir so fremd, dass ich anfangs gar nicht begreife, was er da gesagt hat. »Aber warum hört sie deswegen mit der Arbeit …«
    Jetzt sieht er mich seinerseits seltsam an. »Weil sie schwanger ist.«
    Einen Moment lang scheint sich das Zimmer um mich herum zu drehen; es summt in meinen Ohren, und mir werden die Knie weich. Gut, dass ich sitze. Dann fange ich an, eins und eins zusammenzuzählen, und mir wird klar, was da vor sich geht. Janis ist schwanger . Das bedeutet, in ihrem Körper wächst ein neues Gattungsexemplar wie ein eingekapselter Tumor heran - es ist die Art von Inkubation, durch die unsere Vorfahren in den primitiven Zeiten vor jeder Zivilisation ihre Jungen auszutragen pflegten. Vermutlich haben Janis und ihr Mann miteinander geschlafen, als sie ihre fruchtbaren Tage hatte. »Sie muss wohl …«, beginne ich und schlage mir schnell die Hände vor den Mund. Befruchtet worden sein.
    »Ja, Janis und Norm sind sehr glücklich darüber«, sagt Mr Harshaw und nickt enthusiastisch. Er sieht so aus, als wäre er aus irgendeinem Grund sehr zufrieden mit sich und der Welt. »Wir freuen uns alle sehr für die beiden, auch wenn das bedeutet, dass wir eine neue Bibliothekarin ausbilden müssen.«
    »Nun ja, ich werde es mir gern ansehen, ich meine, werde gern mein Bestes versuchen«, stottere ich nervös und frage mich dabei: Hat Janis die Ärzte gebeten, sie zeugungsfähig zu machen? Oder sind wir womöglich schon fruchtbar? Mir kommt ein entsetzlicher Verdacht. Ich weiß, dass die Menstruation bei urzeitlichen Frauen irgendetwas im Hormonhaushalt anzeigte, aber bis eben hatte ich das in meinem Kopf noch nicht richtig sortiert. Ein Kind zu bekommen ist schon an sich eine schwierige Angelegenheit - man braucht dazu ärztliche Hilfe -, doch wenn eines im eigenen Körper heranwächst, ist die Sache noch schwieriger. Die Vorstellung, dass die orthohumanen Körper, in die sie uns gesteckt haben, so altmodisch sind, dass wir beim Sex automatisch und aufs Geratewohl menschliche Wesen erzeugen können, empfinde ich als absolut beängstigend. Bestimmt hatten die Ärzte in der dunklen Epoche noch keine Inkubatoren. Falls ich schwanger würde, müsste ich womöglich leibhaftig die ganze Prozedur mitmachen, die mit einer Geburt verbunden ist. Hätten Sam und ich tatsächlich … »Entschuldigen Sie, wo ist hier die Toilette?«
    »Die zweite Tür links da draußen.« Während ich hinausstürze, lächelt Mr Harshaw in sich hinein. Als ich fünf Minuten später in sein Büro zurückkehre, lächelt er immer noch. Ich zwinge mich zu einer beherrschten Miene und weigere mich, die Magenkrämpfe, die mich auf die Toilette getrieben haben, weiter zur Kenntnis zu nehmen.
    »Alles in Ordnung?«, fragt er.
    »Jetzt ja. Tut mir leid, ich muss wohl etwas Falsches gegessen haben.«
    »Sie müssen sich doch nicht dafür entschuldigen. Falls Sie Lust haben, könnten wir jetzt bei der Bücherei vorbeischauen. Dann kann ich Sie auch mit Janis bekannt machen, und Sie können gleich sehen, ob sie miteinander auskommen, in Ordnung?«
    Ich nicke. Gleich darauf gehen wir nach draußen, um ein Taxi zu nehmen. Ich finde, ich halte mich ganz gut für eine Frau, deren Weltbild gerade auf den Kopf gestellt wurde und die sich so fühlt, als hätte man ihr eins mit dem Vorschlaghammer versetzt. Wie lange braucht menschlicher Nachwuchs, um im Körper der Mutter heranzureifen? Dreißig Megs? Das wirft ein ganz neues Licht auf das Experiment. Ich habe den niederschmetternden Verdacht, auch dieser Bedingung mit meiner Unterschrift unwissentlich zugestimmt zu haben. Irgendwo im Kleingedruckten der Einverständniserklärung ist bestimmt eine Klausel versteckt, die man so auslegen kann. Vermutlich habe ich mich bereit erklärt, einen zeugungsfähigen Körper zu erhalten und gegebenenfalls eine Schwangerschaft auszutragen, das heißt, im Laufe der Studie ein Kind zur Welt zu bringen. Fiore und seinen Kumpanen ist zuzutrauen, dass sie genau diesen üblen Trick angewendet haben, um uns über den Tisch zu ziehen, während wir nicht ganz bei Sinnen waren.
    Nach wenigen Minuten wird mir klar, dass die uns versprochene Aufsicht eines unabhängigen

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