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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Zumindest ist das die Situation, bis sie die einzelnen Pfarrgemeinden zusammenfassen.«
    »Zusammenfassen? Gibt es denn mehrere?«
    »Soweit ich weiß, ja.« Sie zuckt die Achseln. »Sie führen uns Schritt für Schritt in das Gemeinwesen ein. Wir sollen zuerst unsere Nachbarn kennenlernen, ehe sie uns zu einer großen Gemeinschaft zusammenfassen und alles auseinanderbricht.«
    »Ist das nicht eine etwas pessimistische Einstellung?«, frage ich.
    »Schon möglich.« Plötzlich grinst sie mich an, was bei ihr nicht eben häufig vorkommt. »Ja, aber eine realistische.«
    Ich glaube, ich werde Janis mögen. Ungeachtet ihres ironischen Humors fühle ich mich wohl mit ihr. Sicher werden wir gut zusammenarbeiten. »Und die anderen Dinge? Was ist mit diesem nicht zugänglichen Archiv? Und mit dem Computer?«
    Sie winkt ab. »Du musst lediglich wissen, dass Fiore einmal in der Woche vorbeischaut. Dann schließen wir den verriegelten Raum auf und lassen ihn dort ein, zwei Stunden allein. Wenn er irgendwelche Dokumente mitnehmen will, führen wir Buch darüber und nerven ihn so lange, bis er sie zurückbringt.«
    »Kommt sonst noch wer?«
    »Na ja«, erwidert sie nachdenklich, »wenn der Bischof auftaucht, gewährst du ihm Zugang zu allen Bereichen.« Sie zieht eine Grimasse. »Und frag mich bloß nicht nach dem Computer. Niemand hat mir groß erklärt, wie man ihn benutzt. Eigentlich verstehe ich das Ding überhaupt nicht. Aber wenn du damit herumspielen willst, wenn hier nicht viel los ist, hab ich nichts dagegen. Nur denk daran, dass alles hier registriert wird.« Sie sucht meinen Blick. »Alles«, wiederholt sie mit leisem Nachdruck.
    Mein Pulsschlag beschleunigt sich. » Auf dem Computer, sobald man ihn benutzt? Oder das, was außerhalb passiert?«
    »Nimm zum Beispiel das Entleihen von Büchern. Vielleicht wird sogar registriert, welche Seiten die Leute sich anschauen. Ist dir aufgefallen, dass alle Bücher gebundene Ausgaben sind? Du würdest dich wundern, welch winzige Instrumente zum Aufspüren und Verfolgen von Daten die Techniker selbst in der dunklen Epoche schon produzieren konnten. Praktisch ist es möglich, sie in die Buchrücken einzufügen. Und dann können Sensoren verfolgen, welche Seiten des Buches der Leser aufschlägt. Und all das, ohne gegen die Regeln des Experiments zu verstoßen.«
    »Aber die Versuchsanordnung …« Ich gerate ins Stocken. In technischer Hinsicht wirkt der Fernseher zwar nicht sonderlich komplex, aber stimmt das auch? Was könnte ein solches Gerät in sich verbergen? Entweder müssten es Kameras sein oder ein wirklich komplexes Übertragungssystem …
    »Die dunkle Epoche war nicht nur düster, sondern auch eine Phase rasanter Entwicklungen. Wir reden hier von der Zeit, in der unsere Vorfahren, die früher einen Abakus brauchten, um eins und eins zusammenzuzählen, dazu übergingen, die ersten empfindungsbegabten Maschinen zu entwickeln. Früher pfuschten Medizinmänner mit giftigen Chemikalien herum und waren nicht einmal in der Lage, ein sauber abgetrenntes Glied wieder anzufügen. Doch im Laufe dieser Epoche gelangten unsere Vorfahren dahin, dass sie Gewebe regenerieren, Proteome und Genome vollständig entschlüsseln und gewünschte Körperteile neu entwickeln konnten. Anfangs schossen sie Raketen in die Umlaufbahn, dann entwickelten sie die ersten fest verankerten Raumfahrstühle. Und das alles haben sie in weniger als drei Gigasekunden, in neunzig Jahren alter Zeitrechnung geschafft.«
    Sie hält kurz inne, um einen Schluck Tee zu trinken. »Allzu leicht unterschätzen wir Neuzeitmenschen die Menschen der dunklen Epoche. Aber das ist eine Angewohnheit, die man ablegt, wenn man erst mal ein Weilchen hier ist. Und um den Geistlichen - den Versuchsleitern - nicht Unrecht zu tun, muss man wissen, dass sie schon länger hier sind als wir Übrigen. Selbst Harshaw, der für sie arbeitet.« Sie spricht seinen Namen so verächtlich aus, dass ich mich frage, in welcher Weise er ihr auf die Zehen getreten ist.
    »Glaubst du, die haben die Sache besser im Griff als wir?«, frage ich neugierig.
    »Da kannst du verdammt sicher sein.« (Ja, sie sagt tatsächlich verdammt . Offensichtlich lässt sie sich voll auf den Geist dieser Epoche ein und fällt in den uralten Slang zurück, den unsere Vorfahren gebraucht hätten.) »Ich glaube, hier geht mehr vor sich, als für das bloße Auge sichtbar ist. Die sind viel schneller damit vorangekommen, diese Gesellschaft zu stabilisieren, als man in der

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