Glashaus
ich seitlich am Mikrowellenherd befestigt habe, aber es leuchtet kein Lämpchen auf. Aus der Todeszelle dringt kein Geräusch, also sieht es danach aus, dass ich alle Wanzen im Buchrücken erfolgreich durchgeröstet habe. Nun ja, das werde ich merken, sobald ich das Buch zur Bibliothek zurückbringe, stimmt’s? Falls Fiore mich übermorgen in der Kirche als schwarzes Schaf herausdeutet, werde ich wissen, dass es nicht geklappt hat. Aber ein obszönes Buch aus der Bücherei zu schmuggeln, um einen Abend lang darin zu schmökern, ist ja längst nicht so schlimm wie Schlüssel zu klauen, die …
Der Brenngips! Innerlich trete ich mich selbst in den Hintern. Fast hätte ich ihn vergessen. Mit zitternden Händen kippe ich die nötige Menge in einen leeren Joghurtbecher, gebe Wasser aus einem Messbecher hinzu und rühre die Masse mit einem Teelöffel um, bis sie so heiß wird, dass ich den Becher von einer Hand in die andere nehmen muss.
Nach zehn Minuten bestreiche ich ein Backblech mit einer feuchten, klebrigen, weißlichen Masse aus Gips und hydriertem Kalziumsulfat. In der Hoffnung, dass die Masse ausreichend abgekühlt ist, drücke ich beide Seiten des Seifenstücks mehrmals hinein. Einen Moment lang bin ich sehr angespannt, weil ich fürchte, die Seife könnte weich werden und schmelzen. Deshalb beginne ich zu früh mit dem ersten Abdruck, als der Gips noch so weicht und feucht ist, dass er an der Seife haften bleibt. Doch irgendwann habe ich meiner Meinung nach genügend Arbeitsmasse. Also lege ich eine Gazeschicht über das Blech und gehe ins Haus. Es ist fast schon zehn Uhr abends, und ich bin ausgehungert und erschöpft. Morgen habe ich zwar frei, werde aber trotzdem zur Arbeit gehen müssen, um Janis zu besuchen und mich zu vergewissern, dass ihr nichts fehlt.
Jedenfalls werde ich vorbereitet sein, wenn Fiore das nächste Mal das Geheimarchiv aufsucht, und dort sofort, nachdem er gegangen ist, ausgiebig herumschnüffeln. Und dann werden wir schon sehen, was er da unten versteckt …
10
angstzustände
EIN KÜHLER, ABER MILDER SONNTAG dämmert herauf. Ich seufze und kämpfe dagegen an, mir die Bettdecke über den Kopf zu ziehen. Durch einen dieser blöden Zufälle bei der Einteilung der Schichten musste ich gestern arbeiten und ab morgen schon wieder, und die Aussicht auf zwei weitere Elfstundenschichten empfinde ich als niederschmetternd. Deshalb freue ich mich nicht gerade darauf, den halben freien Tag gezwungenermaßen in Gesellschaft solcher Huren wie Jen und Angel zu verbringen, die für Punkte alles tun würden. Trotzdem schaffe ich es, mich aus dem Bett zu kämpfen und meinen Sonntagsstaat aus dem wachsenden Kleiderstapel zu zerren, der hinten im Zimmer auf dem Stuhl liegt. (Demnächst muss ich mal zur Reinigung gehen und einige Zeit im Keller verbringen, um die Klamotten zu waschen, die ich in die Maschine stecken kann. Noch mehr blöde Plackerei an meinem freien Tag. Hört das denn nie auf?)
Unten finde ich Sam eifrig damit beschäftigt, Cornflakes in eine Schüssel mit Milch zu schaufeln. Er wirkt geistesabwesend. Mein Magen ist vor Nervosität angespannt, doch ich zwinge mich dazu, einen Wassertopf auf die Herdplatte zu stellen und vorsichtig zwei Eier hineinzulegen. Ich muss mich dazu überwinden, etwas zu essen, denn ich habe kaum Appetit, und bei dem strikten Training, das ich täglich absolviere, könnte es sehr leicht passieren, dass ich anfange, mein Muskelgewebe aufzuzehren. Kurz werfe ich einen Blick nach innen, auf die meistens schweigende Netzverbindung, um den Punktestand unserer Schar für diese Woche abzufragen. Wie üblich bilde ich fast das Schlusslicht der weiblichen Mitglieder. Als ich sehe, dass nur Cass noch schlechter abgeschnitten hat, spüre ich den mir schon vertrauten Stich ins Herz, ein Gefühl böser Vorahnung. Zwar bin ich mir fast sicher, dass Cass nicht Kay ist, aber ich kann nicht umhin, Mitgefühl mit ihr zu empfinden, denn schließlich muss sie es mit diesem Schwein Mick aushalten. Gleich darauf dreht sich mir der Magen um, denn mir fällt etwas ein, das ich vor unserem Aufbruch unbedingt erledigen muss.
»Sam.«
Er blickt von seiner Schüssel auf. »Ja?«
»Es geht um heute. Wundere dich nicht, wenn … wenn …« Ich bringe es nicht über die Lippen.
Er legt den Löffel nieder und blickt aus dem Fenster. »Ist ein schöner Tag.« Gleich darauf runzelt er die Stirn. »Was liegt dir auf der Seele? Die Kirche?«
Ich schaffe es zu nicken.
Einen
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