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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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da unterlaufen!
    Ich klemme meinen Zeh in die Tür, damit sie nicht zuschlägt. Gleichzeitig ziehe ich den Schlüssel heraus, drücke ihn ins Seifenstück - eine Seite nach der anderen - und achte auf einen sauberen Abdruck. Das dauert nur wenige Sekunden. Danach wische ich den Schlüssel mit einem Stück Klopapier ab und nutze den restlichen Streifen dazu, die Seife hineinzuwickeln, die ich anschließend wieder in der Tasche verstaue. Der Schlüssel ist aus reinem Metall. Zwar besteht das (recht geringfügige) Risiko, dass für den Fall, dass der Schlüssel verloren geht, ein Ortungssensor eingebaut ist, aber er ist ja gar nicht verloren gegangen, sondern hat sich nur knapp zehn Zentimeter von der Stelle bewegt, während Fiore sich auf der Toilette erleichtert hat. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass bei diesem Schlüssel keine kryptographischen Tricks zur Identifizierung des autorisierten Benutzers angewendet werden. Falls es so wäre, warum hätte man ihn dann als altmodisches Steckschloss tarnen sollen? Mechanische Steckschlösser sind verblüffend sicher, wenn man sich gegen Einbrecher verteidigen will, die eher mit elektronischen Kartenschlüsseln vertraut sind. Außerdem: Wenn es überhaupt einen Ort gibt, der nicht visuell überwacht wird, dann ist das Fiores Hochsicherheitstrakt - der Keller, in dem die Dokumente aufbewahrt werden -, wenn der Priester darin zu tun hat. Das ist die Reihe von Hypothesen, auf die ich mein Leben setze.
    Ehe ich mich langsam auf den Rückweg zum Aufenthaltsraum mache, vergewissere ich mich, dass meine Tasche gut verborgen auf dem Bodenbrett des Wägelchens liegt. Ich warte eine ganze Minute, ehe ich mir erlaube, Fiores verärgerte Rufe nach Toilettenpapier zur Kenntnis zu nehmen.
    Der Rest des Tages zieht sich in die Länge, da keine Janis da ist, mit der ich herumalbern kann. Fiore geht eine Stunde später und meckert dabei leise über seine Verdauung. Danach befördere ich das Seifenstück in den asthmatischen kleinen Kühlschrank im Aufenthaltsraum, in dem wir die Milch aufbewahren. Ich will nicht riskieren, dass es weich wird oder sich verformt.
    Als ich an diesem Abend abschließe, um nach Hause zu gehen, schlägt mir das Herz bis zum Hals, und ich schwitze so, dass mir die Bluse am Kreuz klebt. Ich verhalte mich dumm, das weiß ich, denn ich riskiere damit, sofort aufzufliegen. Aber wenn ich mein Vorhaben aufgebe, ist das, was langfristig geschehen wird, schlimmer als alles, was mir zustoßen kann, falls sie mich mit einem aus der Abteilung Nachschlagewerke entwendeten Buch und einem eingedellten Seifenstück erwischen. Nicht nur ich werde dann mit fliegenden Fahnen untergehen. Janis wusste bereits über Curious Yellow Bescheid und hatte Angst vor der Überwachung. Ich weiß nicht, wieso und woher sie diese Informationen hat, aber es ist ein Unheil verkündendes Zeichen. Wer ist sie?
    Zu Hause angekommen, steuere ich erst die Garage an, ehe ich hineingehe. Jetzt ist es an der Zeit, den Wanzenkiller zum ersten Mal einer Feuerprobe zu unterziehen. Der Wanzenkiller ist der billige Mikrowellenherd, den ich vor einigen Wochen gekauft habe. Inzwischen habe ich den Deckel abmontiert und einige kreative Dinge mit seiner Verkabelung angestellt. Im Grunde ist ein Mikrowellenherd ja nichts anderes als ein Faradaykäfig, der starke Mikrowellen ausstrahlt. Er ist darauf geeicht, elektromagnetische Energie auf einer Wellenlänge zu emittieren, die von dem Wasser der dort garenden Nahrungsmittel weitgehend absorbiert wird. Nun ja, meinen Zwecken dient das zwar nicht, doch mit ein wenig kreativer Zauberei ist es mir gelungen, das Magnetron sehr wirksam umzufunktionieren. Jetzt emittiert der Mikrowellenherd ein ganzes Spektrum von Wellenlängen und ist zwar nicht mehr in der Lage, ein Abendessen richtig aufzuwärmen, kann dafür aber ein wahres Chaos mit allen elektronischen Schaltkreisen anstellen, die man diesen Wellenlängen aussetzt. Also öffne ich das Türchen, schüttle den Inhalt meiner mit einem Kupfernetz gefütterten Tasche hinein und greife danach durch den Stoff, um das Seifenstück zu bergen. Auf keinen Fall möchte ich riskieren, dass die Seife darin verschmort - Fiore würde sicher Verdacht schöpfen, falls er jedes Mal, wenn ich während seines Besuchs in der Bücherei Aufsicht führe, Durchfall bekäme.
    Als Nächstes schließe ich die Herdtür und lasse das Buch fünfzehn Sekunden lang in der Mikrowelle garen. Danach schalte ich die Brotschneidemaschine ein, die

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