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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Handvoll Menschen heraus, um sie zu verhöhnen, dem Gelächter preiszugeben und verächtlich mit dem Finger auf sie zu zeigen. Eine kleine Demütigung als Strafe dafür, ein Buch aus der Nachschlageabteilung der Stadtbücherei herausgeschmuggelt zu haben, wäre dabei nichts Ungewöhnliches. Doch das hier ist eine schwerwiegende Missetat: Man hat zwei Menschen dabei erwischt, wie sie das soziale Fundament des Experiments unterminiert haben. Mit dröhnender Stimme hat sich Fiore mittlerweile in selbstgerechte Empörung hineingesteigert, und was sich da zusammenbraut, ist wirklich hässlich. Als sich von den hinteren Kirchenbänken Geschrei erhebt und sich Verwirrung, Wut und Zorn Luft machen, greife ich nach Sams Hand. Gleich darauf überprüfe ich auf meiner Netzverbindung den Punktestand, und dabei wird mir eiskalt. Fiore hat der Schar Drei all die Punkte abgezogen, die er Jen gerade gutgeschrieben hat!
    »Lass uns hier verschwinden, ehe es unangenehm wird«, murmle ich Sam ins Ohr. Er nickt und greift fest nach meiner Hand. Da die Leute inzwischen schon aufstehen und wild durcheinanderbrüllen, schlängele ich mich so schnell ich kann zum Mittelgang durch, wobei ich, sofern nötig, meine Ellenbogen gebrauche. Auf der anderen Seite des Ganges kann ich Mick sehen, der so heftig brüllt, dass seine Halssehnen wie Kabelstränge hervortreten. Cass aber kann ich nirgendwo entdecken. Ich gehe weiter, denn hier braut sich ein Sturm zusammen, und es ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, um stehen zu bleiben und mich nach Cass zu erkundigen.
    Hinter mir kreischt Fiore irgendetwas von naturgegebener Gerechtigkeit, aber über die Menge hinweg ist er kaum zu verstehen. Durch die geöffneten Türen drängen die Menschen zum Parkplatz hinaus. Als mir jemand auf den linken Fuß tritt, stöhne ich zwar vor Schmerzen auf, halte mich aber aufrecht. Dass Sam mir folgt, spüre ich eher, als dass ich es sehen kann. Ich arbeite mich durch das Gewühl am Eingang vor, gehe weiter und weiche dabei kleinen Menschengruppen und einer um sich schlagenden Gestalt aus. Als Sam mich einholt, greife ich nach seiner Hand. »Gehen wir!«
    Vor uns steht eine Menschentraube, die sich rund um Jen gesammelt hat. »Reeve!«, ruft sie.
    Wenn ich einen Affront vermeiden will, darf ich sie nicht ignorieren. »Was ist?«
    »Hilf uns.« Als sie breit grinst und die Arme ausstreckt, funkeln ihre Augen vor Erregung. Sie trägt ein schwarz-silbernes Nichts, das ihre sekundären Geschlechtsmerkmale in leichtem Kontrast zum Rest der seriösen Aufmachung zur Schau stellt. Sichtbar hebt und senkt sich ihre Brust nämlich gerade so heftig, als hätte sie gleich einen Orgasmus. »Komm schon.« Sie deutet auf das düstere Menschenknäuel am Kircheneingang. »Gleich feiern wir eine Party!«
    »Was meinst du damit?« Ich blicke über sie hinweg. Chris, ihr Ehemann, glänzt durch Abwesenheit. Stattdessen hat Jen eine eigene Gruppe von Jüngerinnen, Verehrerinnen und ähnlichen Leuten um sich gesammelt, darunter Grace aus der Schar Zwölf, Mina aus der Schar Neun und Tina aus der Schar Sieben. Allesamt gehören sie zu Gruppen, die noch nicht so lange hier sind wie wir. Und sie beobachten Jen, sehen sie so an, als wäre sie hier die Anführerin …
    »Wir säubern das Gemeinwesen!«, erwidert sie beinahe ausgelassen. »Komm schon! Wenn wir uns einig sind, können wir sicherstellen, dass alle hier spuren; wir können den ganzen Laden zusammenhalten und damit jede Menge Punkte machen. Wir müssen unseren Standpunkt jetzt nur so nachdrücklich wie möglich klarmachen. Dadurch, dass wir den Abweichlern und Perversen eine Lehre erteilen.« Begeistert sieht sie mich an. »Stimmt’s?«
    »Äh … ja«, murmle ich und ziehe mich so weit zurück, dass ich mit Sam zusammenstoße, der hinter mir aufgetaucht ist. »Du willst ihnen also eine Lektion erteilen, wie?«
    Ich spüre, wie Sams Hand auf meiner Schulter sich anspannt. Er will mich davor warnen, zu weit zu gehen, aber Jen ist gar nicht in der Stimmung, solche Kleinigkeiten wie Sarkasmus zu registrieren. »Allerdings!« Sie klingt geradezu verzückt. »Das wird ein Heidenspaß! Ich hab Chris und Mick bereits instruiert …«
    Irgendwo hinter uns ist ein schriller Schrei zu hören. »Entschuldige uns«, murmle ich. »Mir ist nicht gut.« Sam schiebt mich vorwärts, sodass ich, immer noch Entschuldigungen stammelnd, an Jen vorbeistolpere, aber die Situation ist nicht kritisch: Sie kann jetzt keine Zeit auf

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