Glashaus
flocht, schwor, dass er nie einen besseren Kolonnenführer als ihn gekannt hätte.
Umso verwunderlicher, dass Heiermann, der Polier, ausgerechnet Younas vor einigen Minuten per Funk zu sich nach unten in den Bürocontainer bestellt hatte.
Was wollte er von ihm, fragte sich Younas während darauf wartete, dass der Bauaufzug endlich zu ihm heraufgezuckelt kam.
Mit der Arbeit konnte es nichts zu tun haben. Die lief nämlich besser als erwartet. Trotz der Hitze hatten sie in den letzten Tagen einen satten Zeitvorsprung herausgearbeitet.
„ Hallo Ali“, empfing Heiermann Younas im Bürocontainer. Heiermann nannte alle, die für ihn nach Ausländer aussahen, einfach Ali, selbst Russen, Portugiesen, Schotten und Griechen.
Younas hatte längst gelernt was sich gehörte: Er schloss die Tür und nahm den Helm vom Kopf. Wobei er sich alle Mühe gab an Heiermann vorbei zu sehen. Heiermann mochte keinen Blickkontakt mit Kanaken.
„ Pass auf: Machst mal Schluss für heute. Morgen kommste bisschen früher. Ich hab `n anderen Job für Dich. Gutes Geld. Schwarz. Bist morgen um sieben hier. Ich fahr Dich dann dahin. Kapische?“
Younas nickte, setzte den Helm wieder auf und machte die Tür von draußen zu.
Eines Tages, träumte er, würde auch das vorbei sein. Eines Tages würde er seinen eigenen Laden haben. Einen, in dem er sich Leute wie Heiermann einzig dazu hielt Pissbecken sauber zu halten.
„ So früh?“
Younas schloss die Tür seiner Wohnung und legte die Karstadttüte, in der er seine Pausenbrote transportierte, auf dem Tischchen unter der Gardarobe ab.
„ Muss morgen früher los. Irgendein Job bisschen außerhalb hat Heiermann gesagt.“
Aziza trat in die kleine Küche zurück. Machte sich am Herd zu schaffen.
„ Die Schule noch nicht aus?“, fragte er, während er die Schuhe auszog.
„ Nein“, rief Aziza aus der Küche. „Mittwochnachmittag ist Schwimmen. Da kommt sie nicht vor fünf.“
Der Geruch nach Kaffee.
Er ging ins Bad. Zog sich aus. Er mochte es nicht zusammen mit den Kollegen im Baucontainer zu duschen. Die neugierigen Blicke, mit denen sie die Narben auf seinem Oberkörper bedachten, hatte er noch nie ertragen können.
Er warf die dreckige Arbeitskluft in den Wäschekorb neben dem Klo und trat in die Dusche. Wasser, das weich über seinen Körper floss.
Ein paar Minuten darauf saß er Aziza gegenüber am Tisch, rauchte eine Zigarette und schloss die Hände um den Becher heiß dampfenden Kaffees.
„ Halif wartet auf unsere Entscheidung. Er sagt, er kann uns das Geschäft nicht mehr lange freihalten. Entweder sagen wir ihm bis Freitag zu oder er muss sich andere Leute suchen.“
Halif, den man auf der Straße auch Halif Kahn nannte, war Azizas einziger in Deutschland lebender Verwandter und unter anderem Besitzer einer Kette von Dönerläden, die er mit eigenem Fleisch und Gemüse versorgte.
Er hatte ihnen das Geld und die Papiere besorgt, die sie gebraucht hatten um hierher, in dieses Land zu kommen.
„ Du weißt, was ich davon halte. Wir schulden ihm immer noch Geld.“
Aziza blieb stumm. Und gab sich gar nicht erst Mühe ihre Enttäuschung zu verbergen.
Aziza war für Younas die beste Frau, die ein Mann sich nur wünschen konnte. Doch sie war eben auch manchmal stur wie ein Ochse.
Trotzdem würde ihre Verstimmung vorübergehen. Sicher: Er wollte weg vom Bau und irgendwann einmal ein eigenes Restaurant haben. Aziza war eine gute Köchin und hart zu arbeiten waren sie beide von Kindesbeinen an gewohnt.
Doch einen von Halifs Dönerläden zu übernehmen, würde bedeuten sich noch mehr von ihm abhängig zu machen. Younas mochte es nicht abhängig zu sein und Halif war ein gefährlicher Mann. Jeder auf der Straße wusste, dass er in seinen Läden Geld sammelte, mit dem er Waffen kaufte, die dann später im türkisch irakischen Grenzgebiet zu wer weiß was benutzt wurden. Und jeder auf der Straße draußen wusste außerdem, dass Halif irgendwas mit Drogen zu tun hatte.
Doch Younas hatte die Schnauze gestrichen voll von Waffen. Und er hatte die Schnauze gestrichen voll von Politik. Als er hierher gekommen war hatten sie es versucht. Alt gewordene Berufsrevoluzzer, die kamen seinen Tee tranken und sagten: Wir brauchen Deine Hilfe, um für die Freiheit zu Hause kämpfen. Nur war für Younas zu Haus da schon nicht mehr in dem Land, in dem er geboren worden war, sondern hier. Und DIESES LAND war frei, DIESES LAND war – in Maßen – gerecht.
Nein, er hatte sie solange immer
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