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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zögernd zurück.
    Der Mann am anderen Ende brauchte zwei Sekunden, bis er mit einer Gegenfrage antwortete: »Darf ich fragen, wen Sie sprechen wollten?«
    »Wahrscheinlich bin ich falsch verbunden«, erwiderte Sabine, während ihr Puls zu rasen begann.
    »Bleiben Sie bitte dran«, beeilte sich der Mann zu sagen. »Wen wollten Sie denn?«
    Sie schluckte und sah zu den Bergen hinüber, deren Hänge im Gegenlicht der Sonne Schatten warfen. »Ich wollte …« Wieder zögerte sie. »Ich wollte Werner sprechen, Werner Heidenreich.«
    Natürlich war sie falsch verbunden. Wer sonst würde Werners Handy haben und sogar noch mit ihr reden wollen.
    »Werner Heidenreich«, wiederholte die Stimme im Hörer sachlich, um nach kurzer Pause hinzuzufügen: »Sie haben richtig gewählt. Es ist sein Handy.«
    Sabine erschrak. »Und …« Sie spürte einen Kloß im Hals. »Und wer sind dann Sie?«
    »Kriminalpolizei«, kam es zurück, und schnell wurde ergänzt: »Wir müssen dringend mit Ihnen sprechen.«
    Sabine bekam weiche Knie. Sie war nicht mehr in der Lage, den Worten des Mannes zu folgen.

3.
    August Häberle, Erster Kriminalhauptkommissar bei der Kriminalpolizei in Göppingen, hatte sich von dem diensthabenden Kollegen Specki daheim abholen lassen. Die beiden Männer kannten sich seit Jahren und wussten, dass die ersten Stunden nach einem Verbrechen die wichtigsten waren. Häberle ärgerte sich zwar insgeheim, dass der schöne Sommersonntag, den er mit seiner Ehefrau Susanne im heimischen Garten verbringen wollte, nun verdorben war. Aber die Gewissheit, dass Susanne schon sein ganzes Berufsleben lang Verständnis für solche unvorhergesehenen Einsätze aufbrachte, beruhigte ihn. Er hatte zwar keinen Bereitschaftsdienst, doch war es für ihn Ehrensache, die Kollegen bei großen Einsätzen zu unterstützen – auch wenn er jetzt noch gerne geschlafen hätte. Sein dünnes Hemd spannte, als er seinen voluminösen Körper auf dem Beifahrersitz zurücklehnte. »Du weißt, wo’s raufgeht?«, fragte er knapp, während der weiße Dienst-Audi auf der Bundesstraße 10 in Richtung Ulm rollte, wo bereits viele Ausflügler aus dem Großraum Stuttgart zur Hochfläche der Alb unterwegs waren.
    Der Kriminalist, der eigentlich Speckinger hieß, den sie aber alle Specki nannten, nickte und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die Sonne knallte gnadenlos gegen die Windschutzscheibe. »Es gibt nur diese eine Zufahrt. Den Fahrweg über den Hexensattel«, bemerkte er gelassen.
    Häberle blinzelte und klappte den Blendschutz herunter. Hexensattel, klar. Specki kannte Land und Leute genauso wie er. Man musste in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich Bescheid wissen – über die Menschen und ihre Mentalität, aber auch über geografische und topografische Verhältnisse. Häberle war deshalb nach seiner langjährigen Tätigkeit als Sonderermittler beim Landeskriminalamt wieder gerne in die heimische Provinz zurückgekehrt. Nicht nur in dem Ballungszentrum, das wusste er, führten die Abgründe menschlicher Seelen zu tragischen und dramatischen Ereignissen. Und seit aus der Welt ein vernetztes Dorf geworden war, das von global agierenden Banden ebenso in die Zange genommen wurde wie von skrupellosen Geschäftemachern, die man neuerdings verharmlosend ›Global Player‹ nannte, konnte von jeder Ecke des Planeten aus ein Verbrechen eingefädelt werden.
    Die beiden Männer schwiegen und waren in Gedanken versunken. Wie immer, wenn sie auf der Anfahrt zu einem Tatort waren, versuchte jeder, sich auf seine Art vorzustellen, womit sie konfrontiert würden. Der Polizeiführer vom Dienst, der die Notrufe entgegennahm, hatte von einem Tötungsdelikt beim Wasserberghaus gesprochen. Specki und Häberle brauchten keine weitere Ortsbeschreibung. Beide waren sie begeisterte Wanderer und kannten sich aus. Specki bog deshalb in Gingen an der Fils nach rechts auf die kleine Verbindungsstraße ab, die in Serpentinen den Höhenrücken abkürzte, der hier an den nördlichen Ausläufern der Schwäbischen Alb ins nächste Seitental hinüberführte. Die schmale Fahrbahn schlängelte sich aus dem Wald heraus, vorbei an einer Pferdekoppel und durch den kleinen Weiler ›Grünenberg‹, wo es eine Wirtschaft gab, die für ihr dunkles Bier weithin bekannt war.
    »Hat er was gesagt«, formulierte Häberle plötzlich seine Gedanken, »weiß man schon, wer es ist?«
    Specki zuckte mit den Schultern. »Ein Mann sei’s. Offenbar erstochen.«
    Häberle verschränkte

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