Glasscherbenviertel - Franken Krimi
Westtorgraben ein, lief am Hallertor vorbei zum Neutor hinauf und bog sodann in den Vestnertorgraben ab. Hier fand er seine Vermutung hinsichtlich der Touristenmassen bestätigt: Der Busparkplatz neben dem Hexenhäusle war derart hoffnungslos überfüllt, dass die Reisebusse einen der beiden Fahrstreifen als Haltefläche missbrauchten, was ein ziemliches Verkehrschaos zur Folge hatte. Nun ja, die Einheimischen, die zu dieser Jahreszeit nicht auf die Öffentlichen umstiegen, waren selbst schuld. Schließlich wusste jedermann, dass in der Vorweihnachtszeit in Nürnberg Ausnahmezustand herrschte.
In der Pirckheimerstraße machte Hackenholt einen kurzen Abstecher zum Blumen Neidiger und kaufte einen Strauß. Während die Chefin persönlich seine Rosen einpackte, schaute er auf die Uhr: kurz vor vier. Er hatte vom Präsidium nur fünfundzwanzig Minuten gebraucht. Ihnen würde also noch genügend Zeit zum Einkaufen bleiben.
Als er in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel kramte, wurde die Haustür von innen aufgerissen. Erschrocken wich er einen Schritt zurück, dann erst merkte er, dass es Sophie war, die vor ihm stand.
»Was machst du denn –?« Abrupt brach sie den Satz ab und wurde rot. Offenbar erinnerte sie sich, dass sie Hackenholt erst vor zwei Tagen mit ebendiesen Worten begrüßt hatte. »Ich wollte sagen: Schön, dass du da bist.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange.
»Ich bin davon ausgegangen, dass du heute sicher jede Menge für das Essen morgen besorgen musst, und wollte dir helfen. Ich dachte, wir könnten zusammen einkaufen fahren. Wie geht es dir?«
»Heute ist nicht mein Tag.«
»Warum?«
»Ich habe gerade eben meine Brille geschrottet.« Sie hielt ihm zum Beweis das Corpus Delicti entgegen, an dem das rechte Nasenpad direkt am Brillengestell abgebrochen war.
»Das sieht ziemlich irreparabel aus. Wie bringt man denn so etwas zustande?«
»Ich habe sie wohl zu heftig geputzt, während ich an einer kniffeligen Übersetzung gesessen bin.«
»Oh weh. So schlimm? Was war es denn?«
»Die Website einer Brauerei.« Sophie zog einen Flunsch. »Kommst du mit? Ich wollte schnell in die Pirckheimer zum Optik Henze. Die haben einen super Service. Wenn jemand meine Brille retten kann, dann die Juniorchefin. Aber ich fürchte, du hast recht: Diesmal wird wohl kaum noch etwas zu machen sein. Ich denke, ich werde eine neue brauchen.« Sophie seufzte. »Anschließend könnten wir in Manis Weinwirtschaft etwas essen gehen. Ich habe bisher nämlich nichts gekocht. Das heißt, gekocht habe ich natürlich, aber eben nur für morgen.«
»Und was ist mit dem Einkaufen?«
»Ach, Frank, das habe ich doch schon alles heute Vormittag erledigt. Wie hätte ich denn sonst das Blaukraut und die Maronisuppe vorkochen können?«
»Hm. Dann bin ich also völlig umsonst so früh nach Hause gekommen?«
»Nein, nicht umsonst: Du kannst deine Zeit mit mir verbringen.«
Hackenholt lächelte. »Gute Idee. Stellst du vorher schnell die Blumen in eine Vase?«
Sophie nahm ihm den Strauß ab und sperrte die Wohnungstür wieder auf. »Was hältst du eigentlich davon, wenn du dir auch gleich ein Brillengestell aussuchst?«
»Wozu denn das?«, fragte Hackenholt entsetzt.
»Am Montagabend in den Drei Linden hast du die Speisekarte so weit weg gehalten, wie es nur ging, damit du überhaupt noch etwas erkennen konntest. Ich fürchte, auch für dich, mein Lieber, wird es langsam Zeit für eine Lesebrille.«
»Das war bloß wegen dem schlechten Licht«, brummte Hackenholt. »Normalerweise sehe ich ganz ausgezeichnet. Ich bin schließlich keine fünfzig!«
Sophie sah ihn an und schüttelte mit einem leisen Seufzen den Kopf. Männliche Eitelkeit. Das konnte ja noch heiter werden.
Donnerstag – Nikolaustag
»Wie geht es Sophie?«, fragte Stellfeldt als Erstes in der Morgenrunde.
»Ach, gestern Abend war sie mopsfidel, und heute früh war ihr wieder schwindlig und speiübel. Sah aus wie das reinste Häufchen Elend. Keine Ahnung, was im Moment mit ihr los ist.«
»Das liegt bestimmt am Wetter. Da spielt der Blutdruck verrückt. Vielleicht hilft es ihr ja, wenn sie morgens ein Glas Sekt trinkt. Mach ich manchmal auch.«
»Alkohol im Dienst? Lass dich bloß nicht erwischen!« Christine Mur war gerade zur Tür hereingekommen und hatte wie so oft nur die letzten Worte mitbekommen, was sie allerdings nicht davon abhielt, sie dennoch zu kommentieren.
»Es geht hier zuvorderst um Sophies
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