Glasscherbenviertel - Franken Krimi
In der Tür stand Detlef Schuster, ein Ermittler vom Kommissariat für Computerkriminalität.
»Grüß dich, Detlef. Komm rein. Was kann ich für dich tun?«
»Es geht um deinen toten Türken, diesen Bülent Alkan.«
»Tatsächlich?« Hackenholt zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
»Hast du seinen Computer sicher gestellt?«
»Zumindest das, was davon noch übrig war«, murmelte der Hauptkommissar.
»Was genau heißt das?«
»Er hatte einen Laptop – jemand ist darauf herumgetrampelt. Ich fürchte, da ist mehr als nur der Bildschirm kaputt.«
»Habt ihr ihn nach München geschickt?«
»Natürlich, allerdings haben sich die Jungs und Mädels vom LKA bislang noch nicht dazu geäußert. Aber warum fragst du nach Bülent Alkans Computer?«
»Das LKA in Nordrhein-Westfalen ermittelt derzeit gegen eine international agierende Gruppierung, die im großen Stil Onlinebanking-Transaktionen manipuliert. Erfahrungsgemäß erstrecken sich solche Recherchen gegen Onlinebanking-Hacker immer über das gesamte Bundesgebiet, wenn nicht sogar europa- oder weltweit. Im Moment werden die Ermittlungen noch gegen unbekannt geführt, somit gilt das Tatortprinzip: Die Beamten, in deren Zuständigkeitsbereich der Tatort fällt, bearbeiten den Fall und geben Teile der Sachbearbeitung an die örtlich zuständige Dienststelle ab, wenn sie einen Tatverdächtigen ausfindig gemacht haben. Da offenbar mehrere Geschädigte aus Nordrhein-Westfalen stammen, hat die Staatsanwaltschaft Münster das Verfahren an sich genommen. Einerseits versuchen die Kollegen natürlich, über die Computer der Geschädigten herauszubekommen, wer hinter der Sache steckt, andererseits verfolgen sie auch, wohin die unrechtmäßigen Überweisungen gehen. In diesem Zusammenhang sind sie auf deinen Toten gestoßen: Bei ihm sind am 15. November achttausendeinhundertfünfundzwanzig Euro und vierzehn Cent eingegangen, die da nicht hingehören.« Detlef Schuster legte einen aufgeschlagenen Schnellhefter vor Hackenholt auf den Schreibtisch. »Deswegen wurde der Vorgang hinsichtlich Bülent Alkans Tatbeteiligung zur hiesigen Sachbearbeitung an mich abgegeben.«
»Dann steckt er also hinter dem Computerbetrug?«
»Nein, wie es im Augenblick aussieht, war er nur ein kleiner Fisch. Ein sogenannter Finanzagent. Jemand, der sich gegen eine kleine Provision bereit erklärt, sein Konto für Geldeingänge zur Verfügung zu stellen, und den Betrag anschließend abhebt und weitergibt. Ist natürlich ebenfalls strafbar.«
»Warte mal einen Augenblick«, murmelte Hackenholt. Er griff nach einem Aktenordner. »Am 15. November ist noch mehr als nur diese eine Überweisung auf Bülents Konto eingegangen.« Endlich fand er die Ausdrucke. »Hier. Nachdem im Verwendungszweck immer ein ähnlicher Wortlaut steht, könnte es sich bei denen doch auch um solche unberechtigten Transaktionen handeln, oder?«
Detlef Schuster zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Hackenholt. »Das ist nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Die Hacker verwenden das Konto eines Finanzagenten normalerweise immer für mehrere Überweisungen innerhalb weniger Stunden.«
Hackenholt sah Schuster fragend an.
»Du musst dir das so vorstellen: Das sind regelrechte Blitzaktionen. Alle Überweisungen gehen an einem Tag ein, dann benachrichtigen die Hacker den Agenten, der muss sofort zur Bank gehen, das Geld abheben und dann weiterleiten.«
»Auf welchem Weg gibt er den Betrag weiter?«
»Das ist unterschiedlich. Manchmal durch eine persönliche Übergabe an einen zweiten Strohmann, manchmal wird das Geld auch gleich per EU -Überweisung, Western Union oder Moneygram ins Ausland verschickt. In den letzten beiden Fällen haben wir kaum Chancen, es zu verfolgen und dadurch zu erfahren, wer der eigentliche Empfänger ist.«
»Wie schafft ihr es dann?«
»Viele Verfahren verlaufen im Sand, das ist ganz klar, aber jede Aktion im Internet hinterlässt ihre Spuren. Und wir kommen ja auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen und wissen, wonach wir schauen müssen. Außerdem werden unsere Täter mit der Zeit häufig unvorsichtig und fangen an, Fehler zu machen. Gelegentlich führen uns auch die Finanzagenten zu den Hackern. Deswegen brauchen wir unbedingt die Daten vom Computer deines Toten, nachdem wir nun schon nicht mehr mit ihm sprechen können. Wir müssen wissen, wie die Hacker zu ihm Kontakt aufgenommen haben, um ihm mitzuteilen, wann er das Geld abheben muss und wie er es weitergeben
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