Glasscherbenviertel - Franken Krimi
gehen. Als er in der Meuschelstraße eintraf, tat diese seinen Vorschlag allerdings mit einem Lachen ab.
»Es ist schon alles fertig. Schau mal.« Als wäre Weihnachten und endlich der Moment der Bescherung gekommen, nahm sie ihn an der Hand und führte ihn zum Esszimmer, wo sie die bislang geschlossene Tür weit öffnete. Der im Normalfall schon den Raum dominierende große Esstisch war an beiden Enden ausgezogen und zu einer langen Tafel umfunktioniert worden. Zu jedem Gedeck hatte Sophie eine kunstvoll gefaltete Serviette, eine hübsche Platzkarte und einen handgegossenen kleinen Schoko-Nikolaus gestellt. Der Tisch war mit Kerzen, Tannenreisig, Zimtstangen, Nüssen, Äpfeln und Mandarinen weihnachtlich dekoriert.
»Wow! Das sieht ja unglaublich aus.« Hackenholt gab Sophie einen Kuss und ging um den Tisch herum, um zu überprüfen, wo sie wen platziert hatte: Wünnenberg und Stellfeldt saßen weit entfernt am entgegengesetzten Ende von Mur und Dr. Puellen. Besser hätte die Sitzordnung gar nicht sein können.
Als um halb sieben alle Gäste auf einen Schlag eintrafen, achtete Hackenholt mit Argusaugen darauf, dass weder Wünnenberg noch Stellfeldt Gelegenheit hatten, heimlich die Platzkarten zu vertauschen.
»Nun bleib doch auch mal fünf Minuten sitzen, Sophie, und spring nicht immer sofort, wenn ein Glas leer ist«, schimpfte Mur, nachdem die Gastgeberin zum mindestens zehnten Mal während des Hauptgangs aufstand, um ein Weinglas zu füllen, eine Schüssel herumzureichen oder noch etwas heiße Soße aus der Küche zu holen. »Du kommst ja selbst überhaupt nicht zum Essen.«
»Das passt schon«, antwortete Sophie ausweichend, die nicht im Geringsten Appetit hatte.
»Sag jetzt nicht, dass dir bei dem leckeren Duft nicht das Wasser im Mund zusammenläuft! Frank hat uns erzählt, dass dir in letzter Zeit ständig übel ist.« Stellfeldt warf ihr einen mitfühlenden Blick zu.
»Ihnen ist morgens immer unwohl?«, fragte Dr. Puellen mit einem freudigen Grinsen.
»Nicht nur morgens«, grummelte Sophie. »Anfangs dachte ich ja noch, dass ich vielleicht irgendetwas Falsches gegessen hätte oder es eine dieser grassierenden Magen-Darm-Grippen wäre, aber inzwischen kann ich es nur noch auf das Wetter schieben.« Sophie seufzte. »Dabei mag ich den Schnee eigentlich.«
»Nerblous solangsd in der Schdadd herinner wohnsd. Iech bin Mondåchåmd bei uns ball nimmer ern Berch naafkummer, suu vill hodd des gschneid« , warf Baumann ein. »Suu fräih wäi des Jåhr hodds nu nie ersuu vill herghaud.«
»Siehst du«, sagte Sophie an Hackenholt gewandt, »wieder ein Grund, nicht in die Pampa zu ziehen.«
»Ja, obber der Drigger hodd sei helle Freid an den Schnee. Mir schlorchn bal ern jedn Åmd a Schdindler ieber die Felder.«
»Trotzdem möchte ich lieber hierbleiben. Unser Fast-Haus wäre einfach ideal gewesen. Wenn ich nur daran denke, wie uns dieser Schuft behandelt hat, wird mir gleich noch schlechter. Wahrscheinlich ist das sowieso der wahre Grund, warum mir die ganze Zeit speiübel ist.«
»Bei einer jungen Frau in Ihrem Alter würde ich da aber eine ganz andere Vermutung hegen.«
Alle sahen Puellen fragend an.
»Na, wenn da mal nichts Kleines unterwegs ist.«
Sophie, die gerade einen Schluck Mineralwasser getrunken hatte, verschluckte sich derart, dass ihr das Wasser in die Nase stieg. Puellen beugte sich zu ihr hinüber und klopfte ihr auf den Rücken.
»Nun, meine Liebe, ich wollte Sie mit meiner Vermutung nicht schockieren«, entschuldigte er sich, sobald Sophie wieder halbwegs Luft bekam. »Aber das ist nun mal das Erste, woran ein Mediziner bei einer jungen, gesunden Frau denkt, wenn sie über lang anhaltende Übelkeit klagt.«
»Fachvorträge sind heute Abend nicht erwünscht, Maurice. Wir sind hier nicht im Sektionssaal«, wies Mur den neben ihr sitzenden Arzt zurecht, bevor sie das Thema wechselte und sich nach dem derzeitigen Stand der Haussuche erkundigte, wofür sie von Hackenholt ein Augenrollen erntete. Falsches Thema! Doch Mur ließ sich nicht beirren. »Dann habt ihr also nach wie vor nichts Neues in Aussicht?«
Sophie schüttelte den Kopf.
»Filleichd håmmer nåcherdla ja wos fir eich« , orakelte Saskia Baumann vielsagend.
Hackenholt warf einen schnellen Blick in die Runde. Tatsächlich: Die Kollegen grinsten sich verschwörerisch an. Offenbar steckten sie alle unter einer Decke. Damit war klar, dass der Anruf der Immobilienmaklerin bei Wünnenberg keineswegs ein Zufall gewesen
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