Glattauer, Daniel
Schreibarbeit
verrichtet, da Hund Computer höchstens abschleckt). Fraul spricht wie Hund.
Hund studiert Sexualverhalten von Fraul. Beide ziehen über Männer her. Und so
weiter.
Das war
der Zeitpunkt, als Max, 32, gewerbsmäßiger Studienabbrecher und frisch
angelernter Polizeireporter bei der auflagenstarken liberal-konservativen
Tageszeitung »Horizonte«, seine große Chance erkannte und nützte. Er mochte
zwar keine Hunde. Aber er kaufte Kurt. Denn er sah die Marktlücke: Im
Autoren-Rudel der Rüden und Weiberl fehlte ein Tier mit artistischer Begabung,
ein begnadeter Hundekörper, der Kunststücke zu Wege bringen konnte, die zu
beschreiben Millionen Lesern organisierte Tränenströme in die Augen triebe. Es
war Kurt.
Max
entdeckte ihn bei einem Pressetermin der Suchtgiftfahnder. Sie präsentierten
ihre neuen Waffen im Kampf gegen die südostkolumbianische Drogenmafia. Kurt
wurde mitgenommen, um den Medienvertretern zu zeigen, wie ein Hund aussieht,
der auf Kokain anspricht. Kurt legte gleichzeitig seine Vorder- und Hinterbeine
über Kreuz und bog den Körper wie eine zu leicht gespannte Hängematte zu Boden.
Dazu drehte er den Kopf in kleinen konzentrischen Kreisen, als würde er die
Nackenmuskulatur trainieren. Sein Maul war weit aufgerissen, die Zunge hing
S-förmig heraus, die Augen waren geschlossen. »Er schläft gerade«, meinte der
verantwortliche Beamte ernst wie ein Chirurg, um der verheerenden Wirkung von
Kokain ein neues erschütterndes Zeugnis auszustellen.
Als Kurt
gleich darauf drehpirouettenartig erwachte, als sich die Hälfte seines
verknautschten Gesichtes als geöffnete Augen entpuppte, in denen dicke,
kaffeebraune Glaswürfel tanzten, und als seine Abertausenden
Deutsch-Drahthaare wie unter Strom in alle Richtungen drifteten, wusste Max,
dass er ihn haben musste, um über ihn zu schreiben.
Da Kurt
ohnehin nur ein Vorzeigemodell und aufgrund des hohen Alters (zwölf Jahre)
bereits ein Auslaufmodell war und mit Drogen in Wirklichkeit überhaupt nichts
am Hut hatte, erklärte sich die Polizeidirektion nach Wochen des Betteins und
aus Angst vor einer negativen Presse bereit, Kurt an den lästigen Journalisten
abzutreten.
In den
folgenden Wochen schlief Max zwar nachts nicht, sondern öffnete lieber
Wildbeuschel-Dosen und suchte das Balli, um den röhrenden Fremdkörper aus dem
Bett zu bekommen, wo dieser für den olympischen Hundezehnkampf zu trainieren
schien. Aber seine Kolumne »In den Wind gesabbert« machte ihn nach nur drei
Folgen zum »Horizonte«-Star - und Kurt zum berühmtesten Hund des Landes, noch vor
Hofburg-Bullterrier »Ferstl«, jenem des neuen Bundespräsidenten.
Erste
Kolumne: »Wie Kurt durch drei Zähne pfeift, um sein Wildbeuschel einzufordern.«
Zweite Kolumne (zur Eröffnung der Ballsaison): »Wie Kurt auf drei Beinen Linkswalzer
tanzt.« Dritte Kolumne: »Wie sich Kurt in Irish Setter Alma verliebt und ihr
mit Rückwärtssalti zu imponieren trachtet.«
Dann
passierte etwas Schreckliches. Kurt blieb nach einer Rückwärtssalti-Dreierkombination
im Park liegen und rührte sich nicht mehr. Max dachte zunächst an ein neues
Kunststück. Doch nach einer Stunde war klar, dass mit dem Hund etwas nicht
stimmte. - Nichts stimmte mehr. Er war tot. Es hatte ihm beim Salto den Magen
umgedreht. »Er hat nicht gelitten«, schwor der Tierarzt. Max weinte dennoch.
Kurt hatte immerhin sein Leben auf den Kopf gestellt.
»Kurt ist
tot«, gestand Max tags darauf seinem Chefredakteur. »Nein«, erwiderte der
Chef. »Doch«, wusste Max, »es hat ihm den Magen umgedreht, die Kolumne ist
gestorben.« »Nein«, erwiderte der Chef. »Es mag ihm den Magen umgedreht haben,
aber die Kolumne geht weiter. Die Leser wollen sie. Besorgen Sie sich einen
neuen Hund, genau den gleichen, wir zahlen das.« - »Kurt gab es nur einmal, er
ist unersetzlich«, widersprach Max kleinlaut und ärgerte sich, gerührt zu sein
und gegen Tränen ankämpfen zu müssen. »Hören Sie zu, junger Mann«, sagte der
Chef sehr ruhig und legte Max seine Hand auf die Schulter. »Niemand ist
unersetzlich, kein Hund und auch kein Kolumnist. Also besorgen Sie sich bitte
einen neuen Kurt.« Er hob die Hand von Max' Schulter, um das Gespräch für
beendet zu erklären. »Auch ich bin übrigens einer der zahlreichen Liebhaber
Ihrer Kolumne«, rief er ihm noch nach.
Drei Tage
lang wollte Max kündigen. Am vierten wusste er, dass er auf täglich zehn
Briefe, zwanzig Anrufe und dreißig E-Mails Fanpost nicht mehr
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