Glattauer, Daniel
Krippen-Aussteller:
Holz gegen Naturholz gegen Strohdach gegen Perlmutthirten. Da ließ die
Gastronomie ihre fetten Gänse aufmarschieren und flehte um rechtzeitige
Reservierung. Und da - hoppla. Was wollte der Typ? Seinen Hund anbringen? -
Katrin hatte eine Idee.
3.12.
Max mochte
Montage. Sie begannen gleich in der Früh. Sie kamen zur Sache. Sie forderten
heraus. Sie gaben Max das Gefühl, dabei zu sein. Kein Montag ohne Max. Die
Sonntage schienen auf ihn verzichten zu können. Die Montage freuten sich auf
ihn. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit.
Max war
weite Strecken dieses Tages erfrischend geschäftlich unterwegs. Es war ein
Tag, an dem sogar die Sonne geschienen hätte, wäre nicht eine dichte Nebelwand
darunter eingeklemmt gewesen, die sich laut Prognose nur »zögernd auflösen«
würde, das bedeutete etwa gegen Mitternacht. Max pendelte in seiner
Arbeitszeit zwischen drei Büros, die ihm nicht gehörten, die auch nicht auf ihn
warteten, die ihn aber duldeten, weil er dort beruflich tätig sein musste, um
Geld zu verdienen, das sahen auch die Büros irgendwie ein. Max war Journalist,
im etwas weiteren Sinne dieses Wortes. Er produzierte für die wöchentlich erscheinende
»Rätselinsel« die gefürchtete »Max'sche Kreuzworträtselecke«, deren
Ausfallsquote unter den Auflösern nach nur drei gemeisterten Worten bei etwa
neunzig Prozent lag. Seine Spezialität waren erfundene Abkürzungen. (Zum
Beispiel: Xenophonspielerin mit fünf Buchstaben. Richtige Lösung: Xphsp.)
Leider war
der Job schlecht (an der Grenze zu gar nicht) bezahlt. Deshalb gestaltete Max
im Büro Nummer zwei einer Wiener Bezirkszeitung zusätzlich das tägliche Kino- und
Theaterprogramm. Die Kreativität war dabei insofern begrenzt, als Max die
Veranstaltungen nicht selbst bestimmen, zeitlich festlegen und auf die Bühnen
und Leinwände verteilen konnte. Er schrieb das Programm vielmehr von
bestehenden Vorgaben ab. Aber er machte das sehr gewissenhaft. Und es gab
niemanden, der daran interessiert zu sein schien, ihm diesen Job bei dieser
Bezahlung streitig zu machen.
Max'
drittes und entscheidendes berufliches Aufgabengebiet betraf Kurt, seinen
reinrassigen Deutsch-Drahthaar. Zumindest theoretisch. Denn in der Praxis
betraf Kurt nichts. Er war dagegen immun, von irgendeiner Sache der Welt
betroffen zu sein oder zu werden. Max verfasste im Büro Nummer drei für das
wöchentlich, wenn auch beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit
erscheinende Tiermagazin »Leben auf vier Pfoten« die Hundekolumne »Treue
Augenblicke«, deren Star kein Geringerer, aber auch kein Lebendigerer war als
Kurt. An dieser Stelle muss zurückgeblendet werden, denn »Treue Augenblicke«
hatte einen ziemlich tragischen Hintergrund.
Es war gut
zwei Jahre her, als die Medien des Landes dahinterkamen, was die Leser und
Seher des Landes tatsächlich am Geschmacksnerv ihres Interesses packt: Hundegeschichten.
Schluss mit der Tagespolitik, dem Phrasen-Friedhof der Einfallslosen, dem Foyer
der ständig schleimenden, um Wählerstimmen heischenden Mandatare und ihrer
schwitzenden und geschwätzigen Reporter. Die Leute wollen wissen, was wirklich
in der Welt passiert. Startkollision am Nürburgring. Sexskandal im Vatikan.
Achtzig Prozent der griechischen Schafhirten sind olivensüchtig. Verona
Feldbusch kauft ein Wörterbuch. - Das sind Meldungen, das sind Themen, das
sind Schlagzeilen.
Und was
noch viel wichtiger ist: Leser wollen unterhalten werden. Und zwar gut. Am
besten köstlich. Und bitte ohne Kindergeschrei, das hat man ohnehin daheim
(oder braucht es selbst dort nicht). So begann die goldene Ära der
Hundegeschichten. Ein Journalist hatte damit angefangen, in einer
wöchentlichen Kolumne seinen rosaweißen Zwergpudel Rüdiger zu porträtieren.
Tausende Leser wurden süchtig, die Gehsteige und Promenadenwege waren bald voll
von rosaweißen Zwergpudeln namens Rüdiger. Eine Rasse, die wegen chronischer
Hässlichkeit bereits auszusterben drohte, schüttete unter entzückten
Passantenblicken plötzlich die städtischen Laternenmaste zu und düngte Hunderte
Hektar Grünland.
Chefredakteure,
die nicht schliefen, reagierten sofort. Bald gab es in jeder namhaften Gazette
eine prominent platzierte Hundekolumne, zumeist gleich neben dem politischen
Leitartikel, um diesen ein wenig aufzulockern. Jede war ein bisschen anders
angelegt. Großer Hund, kleiner Hund. Altes Herrl, junges Fraul. Herrl
beschreibt Hund. Hund beschreibt Herrl (wobei Herrl für Hund
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