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Glatze mit Sommersprossen

Glatze mit Sommersprossen

Titel: Glatze mit Sommersprossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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größte Schlafmütze in dem hundert Meter langen Zug. Mit anderen Worten: Der Meisterdetektiv (ich!) hatte Innsbruck verschlafen. Ich ließ die Augen geschlossen.
    Links von mir saß ein Mann, ein Neuzukömmling. Und so, wie er aussah, war er in Jojos Schußfeld geraten, denn in diesem Augenblick hörte ich es deutlich: Das glucksende Lachen war ein Glucksen der Entrüstung und Empörung. Philip mußte ihm schlimme Dinge gesagt haben. In diesem Augenblick riß das Glucksen ab, und das Wesen neben mir zog geräuschvoll und tief die Luft ein...

Der Rotznasenkönig

    „Hör zu, du Früchtchen“, hörte ich den Unbekannten zu meiner Linken tönen, und er tönte richtig böse, „ich habe mir deine vorlauten Reden angehört und auch deine frechen Reime, aber jetzt hörst du auf der Stelle auf, mich zu zeichnen!“ Der Stimme nach mußte er untersetzt und kurzbeinig sein.
    „Ich zeichne Sie ja gar nicht“, erwiderte Jojo „Was machst du dann? Ich sehe doch deutlich, daß du herumpinselst.“
    „Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich einen Onkel habe, der ein berühmter Detektiv ist?“
    „Was hat das mit der Kritzelei zu tun?“
    „Ich führe für meinen Onkel ein Augenzeugenbuch!“
    „Ach...“ krächzte mein Nachbar.
    „Da schreibe ich alles auf, wovon ich Zeuge werde!“ An Jojos Sprechweise ließ sich erkennen, daß er während des Redens weiterschrieb.
    Wieder kam ein „Ach!“ von links. Und dann: „Wovon bist du denn jetzt Augenzeuge? Von meinem schnarchenden Nachbarn?“ (Unverschämtheit, wo ich kein bißchen schnarchte!!!) „Nein, ich bin Augenzeuge von Ihnen!“
    „Und was schreibst du da auf?“
    „Alles, was mit Ihnen zusammenhängt!“
    Eine Weile blieb es still. Nur das wunderbar gemütlich melodische Fahrtgeräusch erfüllte das Abteil. Heiliges Kanonenröhrchen, es erwies sich als gar nicht so leicht, als putzmunteres Männchen weiter den Schlafenden zu spielen.
    „Willst du mir nicht mal vorlesen, was du über mich schreibst?“ Es klang gleichermaßen neugierig wie leicht zornig.
    „Lieber nicht. Sie sind immer gleich beleidigt!“ meinte Jojo, und ich konnte mir denken, zu welcher Grimasse er dabei sein spitzbübisches Gesicht verzog.
    Doch sein Gegenspieler blieb hartnäckig: „Ich habe nicht den Eindruck, daß es dir viel ausmacht, wenn ich beleidigt bin. Wie alt bist du eigentlich?“
    „Ich werde zwölf!“
    „Das glaube ich nicht!“ kam es prompt von links, und ich, beim spinnebeinigen Bonifatius, mußte dem Protest zustimmen. Dieser Dreikäsehoch war doch ein unverschämter Schwindler.
    „Doch, in zwei Jahren!“ verkündete Jojo ungerührt.
    „Also... das... das... das ist ja die Höhe!“ japste der Mann neben mir entrüstet. „Zehn Jahre, und hat’s so dick hinter den Ohren.“

    „Soll ich nun vorlesen oder nicht?“ Der Gefragte schien genickt zu haben, denn Jojo begann bereits: „Samstag, D-Zug nach Ancona. Ein Mann kommt in Innsbruck ins Abteil. Der Verdächtige ist vielleicht sechzig Jahre und sehr dünn. Wenig Haare. Haarfarbe wie Zigarrenasche...“
    Neben mir begann ein leises Schnaufen.
    „Der Mann trägt einen Anzug mit Karos. Onkel Baldi behauptet: Große Karos, kleiner Kopf, kleine Karos, großer Kopf. Mann hat einen Goldzahn, trägt zwei Ringe und rote Schnürsenkel in braunen Schuhen. Mann zuckt immer mit linkem Auge.“
    Das Schnaufen verstärkte sich...
    „Mann hat große Ohren und einen stechenden Blick. Trägt blaukariertes Taschentuch in der Jackentasche. Onkel Baldi sagt: Rotkariertes Taschentuch mit einem Knoten ist Einbrecher, blaukariertes Taschentuch ohne Knoten bedeutet Taschendieb. Vielleicht ist der Mann ein König der Taschendiebe."
    Das Schnaufen endete in einem pfeifenden Zischlaut. Ich zog unwillkürlich den Kopf ein. „Hai-ho-hai-ho-hai-ho...“ Das sollte wohl ein Lachen sein, doch es klang eher nach dem Wehgeschrei eines Höhlenbewohners, der plötzlich Vater von Sechslingen geworden war.
    „Und du... und du bist der König der Rotznasen!“
    Ei der Daus, war der König... Quatsch, war der Mann neben mir aufgebracht. Richtig wütend. Es wurde höchste Zeit, daß ich aufwachte. Also ließ ich ein kräftiges Gähnen vom Stapel und lächelte.
    Prompt beugte sich mein Nachbar mir zu, und wütend raunzte er: „Na, da haben Sie aber was verpaßt...“
    „liiiiiiiiiiiiich?“
    „Ja, diese kleine alleinreisende Rotznase dort drüben bringt es fertig, mich als König der Taschendiebe zu bezeichnen „Ts-ts-ts-ts“, entrüstete ich

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