Glatze mit Sommersprossen
rief:
„Bis bald, Herr Pfiff!“
„Hoffentlich hat die Ida den Philip nicht erschossen“, sagte ich zu Pinsel, der sich die letzten feuchten Tropfen seines Ochsenmaulsalats vom Bart leckte. Eine Tätigkeit, die mich schlagartig an mein Vorhaben erinnerte: Ich wollte ja einige Wiener zerkleinern...
Zwanzig Minuten später ruhte ich auf dem Sofa, Pinsel auf meinem Bauch. Ich war bereit, mich zu bilden, und ich mußte wohl die richtigen Bücher erwischt haben. Der spannendste Krimi war nichts gegen die wechselvolle Geschichte Kretas. Als ich vom Sofa kletterte, um (ohne Essen!!!) ins Bett zu gehen, war es 0.59 Uhr. Um ein Haar hätte ich mir beim Gähnen die Kiefer verrenkt...
Sonnabend: Die Stunde des Aufbruchs war gekommen. Eine frühe Stunde, ei der Daus. Zu so nachtschlafender Zeit hatte ich noch nie eine Reise angetreten.
Früh 2.15 Uhr schnappte ich die Schlösser meines „Köffer-chens für kleine Reisen“ zu. Es enthielt vom Pyjama über die Zahnbürste bis hin zu Kunigunde, Festtagszigarren, Lupe und Mundharmonika alles, was ich brauchte.
Mit Alfons Blaumichel, dem Taxifahrer, war vereinbart, daß er zuerst in Grüntal Frau Mallinger und meinen Reisegefährten Philip abholen und gegen 3 Uhr bei mir sein sollte. Eine knappe Stunde würden wir dann noch bis in die große Stadt brauchen, wo um 4.15 Uhr unser Zug in Richtung Ancona abdampfte. Und da man sich auf Alfons Blaumichel verlassen konnte, standen wir Punkt 4 Uhr auf Bahnsteig 12. Großmutter Mallinger mit großen, übernächtigten Augen, Philip dagegen, ameisenmunter, mit seinem kiloschweren Augenzeugenbuch unterm Arm, starrte Alfons Blaumichel an.
„Willst du mich hypnotisieren?“ grinste der.
„Ich beobachte Sie!“
„Na, da wird nicht viel herauskommen!“ lachte Blaumichel.
„Doch, ich habe beobachtet, wie Sie was in Ihre linke Tasche gesteckt haben, was Ihnen nicht gehört!“
Blaumichel lachte noch lauter, während seine Hand in besagte Tasche fuhr. Doch plötzlich fiel die ganze Fröhlichkeit von ihm ab, und überrascht und fassungslos sah er auf die schweinslederne Geldbörse in seiner Hand.
„Aber das ist doch...“ begann Frau Mallinger, und ihre Augen wanderten von Blaumichels Hand zu Jojos feixendem Gesicht. Und mitten in ihre Überlegung hinein, ob sie ihrem hoffnungsvollen Enkel eine Ohrfeige verabreichen sollte, wurde der Zug nach Ancona angesagt...
Zwischen Innsbruck und Bozen
„Sehen Sie, ich hatte recht!“ sagte Jojo, schielte dabei in Richtung Agathe Mallinger und trat einen Schritt zur Seite. Das war genau der Schritt, der ihn außer Reichweite von Großmutters Hand brachte.
Doch die bemühte sich, den hoffnungslos durcheinandergeratenen Taxifahrer zu trösten: „Nehmen Sie es nicht tragisch, Herr Blaumichel. Bevor er Ihnen die Geldbörse heimlich in die Tasche schmuggelte, hat er sie zuerst ebenso heimlich aus meiner herausgeholt.“
Blaumichel schüttelte den Kopf.
„Du bist mir ein schöner Lausbub. Hast mich mächtig in Verlegenheit gebracht.“
„Entschuldige dich, Philip!“ befahl Großmutter Agathe streng. Jojo machte einen Diener, wobei er spitzbübisch grinste. „Ich bitte höflichst um Entschuldigung, Herr Blaumichel. Zur Versöhnung schicke ich Ihnen eine Ansichtskarte aus Iraklion!“
Nun, so, wie ich Alfons Blaumichel kannte, war der bereits versöhnt. Ein alter Tierfreund wie er neigte nicht dazu, nachtragend zu sein. Er nickte mir zu, zwinkerte mit den Augen und sagte: „Hab’ das Gefühl, da haben sich die richtigen Reisepartner zusammengetan. Ein Detektiv und ein Taschendieb.“ Ich protestierte laut: „Mein lieber Herr Blaumichel, wenn Sie glauben, ich hätte ihm den Taschenspielertrick beigebracht, da irren Sie. Solche Sachen lernt er höchstens von seinem Vater. Der ist ein berufsmäßiger Zauberkünstler!“
„Bahnsteig zwölf, bitte von der Bahnsteigkante zurücktreten!“ dröhnte es durch den Lautsprecher...
Na ja, ich will die nächsten Minuten des Abschiednehmens, der Ermahnungen, Empfehlungen und Bitten um Benehmen überspringen. Zehn Minuten später waren Philips Koffer und mein „Köfferchen für kleine Reisen“ verstaut, und weitere fünf Minuten danach saßen wir zwei Kreta-Reisende uns gegenüber am Fenster im schön und gemütlich gepolsterten Erster-Klasse-Abteil. Natürlich war es nicht meine Sofaecke, aber immerhin, für einen Zug recht ordentlich.
Im sanften Rhythmus rollten wir in Richtung Innsbruck. Nicht mehr lange, und der Morgen würde grauen.
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