Glaub an die Liebe, Kit
zurückgewichen und hatte die Arme um den Leib geschlungen. Doch es war ihr Gesicht, das ihn am meisten schockierte. Er kannte diesen Ausdruck, er hatte ihn bei Menschen gesehen, die ein furchtbares Trauma durchlebt hatten.
Reue und Ekel vor sich selbst stiegen in ihm auf. „Mein Gott, Sophie … es tut mir so leid. Ich …“ Instinktiv ging er auf sie zu, wollte sie in die Arme schließen und sie trösten. Doch sie zuckte vor ihm zurück.
„Bitte, nicht!“, sagte sie mit erstickter Stimme, die er kaum als ihre erkannte. Sie schloss die Augen, als wünsche sie sich ihn weit weg. „Geh einfach. Jetzt.“
Einen Moment war er wie erstarrt. Als ihm klar wurde, dass er jedes moralische und persönliche Recht, an ihrer Seite zu sein, durch seinen Ausraster verspielt hatte, machte er kehrt und stieg in den Wagen. Seine Hände zitterten so sehr, er brauchte lange, um den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken. Und als er schließlich aufschaute, war Sophie längst ins Schloss gegangen und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
Ohne wirklich zu wissen, was er tat, legte Kit die Strecke zum Krankenhaus in sehr hohem Tempo zurück. Von der Landschaft bekam er so gut wie gar nichts mit, sodass er überrascht war, schließlich den Namen der Stadt auf dem Ausfahrtsschild zu lesen.
Auf dem Parkplatz des Krankenhauses hielt er an, fischte sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer von Alnburgh. In seinem Kopf hörte er das Klingeln durch den Porträtsaal und die Bibliothek hallen. Sekunden, die ihm wie Minuten vorkamen, verstrichen.
Gerade, als er aufgeben und auflegen wollte, meldete Sophie sich.
„Hallo?“, fragte sie leise und atemlos.
Kit schloss die Augen. Allein sie dieses eine Wort sagen zu hören, vertrieb seine Panik und brachte die Dämonen in seinem Kopf zum Verstummen.
„Sophie, ich bin es“, erwiderte er schließlich.
Sie schwieg. Vor seinem geistigen Auge sah er ihr Gesicht, sah die beiden kummervollen Linien, die sich zwischen ihren Brauen gebildet haben würden, sah, wie sie die Lippen zusammenpresste, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.
„Wo bist du?“
„Ich bin gerade im Krankenhaus angekommen. Ich … ich wollte mich entschuldigen.“
„Dazu besteht kein Anlass“, entgegnete sie schnell. „Mir tut es leid, ich habe überreagiert.“
„Nicht.“ Dass sie die Schuld für sein Verhalten auf sich nahm, war mehr, als er ertragen konnte. „Bitte. Übernimm nicht die Verantwortung für meine Fehler. Du hattest recht.“ Er hielt inne, schloss die Augen und massierte sich die Schläfen.
„In Bezug auf was?“
„Meine Mutter. Und Ralph. Aber ich wollte es nicht hören und habe die Kontrolle verloren. Aber ich hätte dich nie geschlagen, Sophie. Ich möchte, dass du eines weißt, ich würde dir niemals wehtun.“
Diesmal schwieg sie sehr lange.
„Du hast mich aus deinem Leben ausgeschlossen, Kit. Es gibt nichts, was mehr wehtun würde.“
Sophie legte den Hörer auf die Gabel und starrte das Telefon an. Ihre Augen waren trocken, doch sie wusste, die Tränen waren längst in ihr. Und wenn sie zu fließen begannen, würde sie lange, lange Zeit weinen.
Einen Moment, als er zugegeben hatte, sie habe recht gehabt, hatte sie geglaubt – gehofft –, er habe angerufen, weil er seine Meinung geändert hatte. Dass er mit ihr zusammen sein wolle, ganz gleich, was auch passierte. Dass die Verbindung zwischen ihnen stärker war als jedes Problem. Dass er sie bedingungslos liebte.
Aber er fühlte sich bloß schuldig, weil er sie erschreckt hatte. Natürlich wusste er es nicht, aber in der Sekunde, in der er den Arm zum Schlag erhoben hatte, war auch eine lange verschüttete Erinnerung in ihr zum Leben erwacht.
Sophie griff nach ihrer Tasche und ging durch die Halle, in der die Porträts der Fitzroy-Vorfahren an den Wänden hingen. Zum letzten Mal ließ sie den Blick über die ernsten Gesichter schweifen.
Dann schlug sie den Weg zum Speisezimmer ein. Die Vase mit den Chrysanthemen stand noch genauso da, wie sie sie gestern abgestellt hatte, als sie noch geglaubt hatte, Kit und sie würden hier bei Kerzenlicht ein romantisches Dinner zu sich nehmen.
Beinahe hätte sie jetzt über ihre Naivität gelacht.
Sie hob den Kopf und betrachtete das Bild der Frau mit den Rosen im Haar und dem Dark Star am Finger – noch eine Außenseiterin, die nicht nach Alnburgh gepasst und letztendlich den Preis mit ihrem Leben bezahlt hatte. Sie hob die Hand und betrachtete den Ring. In ihrer
Weitere Kostenlose Bücher