Glaub an die Liebe, Kit
seinen Mut, ihr in die Augen zu schauen. „Das kann ich nicht tun. Es tut mir leid.“
Schwärze tat sich um Sophie herum auf. In ihrem Kopf ertönte ein seltsames Summen. Einen Moment glaubte sie, sie würde in Ohnmacht fallen. Kits Gesicht verschwamm vor ihren Augen.
„Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss.“
Seine gefühllose Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. Er wandte ihr den Rücken zu, wofür sie ihm dankbar war. Denn so konnte er nicht sehen, wie sie verzweifelt nach der Stuhllehne tastete, um sich daran festzuhalten. Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.
Dabei konnte sie nicht behaupten, dass seine Worte sie wie aus heiterem Himmel trafen. Seit jenem Morgen nach dem Dinner in der Villa Luana hatte sich das Gewitter über ihnen zusammengebraut.
„Schon okay“, krächzte sie mit erstickter Stimme. „Du brauchst mir nichts zu erklären. Ich verstehe schon. Als du mich gebeten hast, dich zu heiraten, gehörte all das nicht zum Plan.“ Sie machte eine weit ausholende Geste, die das gesamte Schloss umfasste. „Seit damals haben sich die Dinge geändert.“
„Ja. Die Dinge haben sich geändert.“ Kit klang so unendlich müde, dass sie einen Augenblick Mitleid mit ihm empfand. „Aber mit Alnburgh hat es nichts zu tun. Sondern mit mir. Ich habe mich verändert.“
„Oh, Gott.“ Diesmal brachte sie ein richtiges Lachen zustande – wenn auch mit hysterischem Unterton. „‚Es liegt nicht an dir, sondern an mir.‘ Einen klischeehafteren Satz gibt es kaum.“
„Aber er stimmt. Ich bin nicht die Person, der Held …“, er lächelte düster, „… für den du mich hältst. Dass Lewis verletzt wurde, ist allein meine Schuld.“
Seine Stimme klang eiskalt, ein Schauer überlief sie. Er stand nahe am Fenster, sie konnte sein Gesicht kaum erkennen. Nur in seinen Augen brannte ein so intensives Feuer, dass ihr der Atem stockte und ihr Herz vor Mitgefühl und Angst überquoll.
„Das kann nicht wahr sein. In einer Explosion …“
„Er wurde nicht bei einer Explosion verwundet“, unterbrach Kit sie. „Er wurde verletzt, bevor die Bombe explodiert ist. Durch feindliche Schüsse.“
„Wie kann es dann deine Schuld sein?“
„Weil er zu dem Team gehörte, das mir Deckung gab, während ich die Bombe entschärfte“, erwiderte er fast spöttisch. „Die Brücke, unter der die Bombe befestigt war, führte in eine Stadt, die als Basis der Aufständischen galt. Die ganze Situation entpuppte sich als einziger Albtraum. Für Heckenschützen war die Brücke perfekt einsehbar, im weiteren Umkreis gab es genug Dächer, Fenster und Balkone. Ein solch unübersichtliches Terrain kann nicht vernünftig abgesichert werden. Die einzige Chance, die uns blieb, war, den Job so schnell wie möglich zu erledigen.“
Wie erstarrt stand Sophie in der Mitte des Zimmers, die Arme um den Leib geschlungen. Am liebsten hätte sie Kit umarmt, doch ihr Instinkt riet ihr, sich von ihm fernzuhalten.
„Ich habe es nicht geschafft“, fuhr er verbittert fort. „Meine Finger waren völlig gefühllos. Meine Hände haben gezittert. Ich habe die Zange fallen gelassen. Und alles, woran ich denken konnte, warst du.“ Er hielt inne und ließ den Kopf sinken. „In diesem Moment fielen die Schüsse. Da wusste ich, dass wir in der Tinte saßen. Wir mussten so schnell wie möglich weg von dort.“
„Oh, Kit …“ Wie eine Schlafwandlerin näherte Sophie sich ihm und streckte die Hände nach ihm aus. „Es war nicht deine Schuld … das darfst du nicht glauben. Dasselbe hätte jedem anderen auch passieren können.“
Langsam wandte er sich zu ihr um. Auf seinen Lippen lag die Parodie eines Lächelns, das ihr Innerstes gefrieren ließ.
„Das denke ich nicht.“
„Was meinst du damit?“
„Alles ergab einen Sinn, als meine Mutter Leos Krankheit erwähnte.“ Sein Lächeln wurde noch eisiger. „Du hast geglaubt, Alnburgh zu erben, sei schon schlimm genug. Aber so wie es aussieht, ist das Schloss das Geringste meiner Probleme. Zumindest kann ich aus Alnburgh fortgehen.“
„Denkst du, du leidest an derselben Erkrankung?“
„Ich habe einen befreundeten Arzt gefragt. Als erste Symptome gelten Taubheitsgefühle in Händen und Füßen. Juliet hat gesagt, das Risiko einer Vererbung liegt bei eins zu zehn. Deshalb bin ich froh, dass du nicht schwanger bist.“
Sophie wollte nichts lieber, als ihn endlich in die Arme zu schließen. Vorsichtige Hoffnung keimte in ihr auf. Endlich hatte er sich ihr geöffnet.
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