Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
mit einem Bericht über das Sülzer Theaterhaus:
»Die Premiere endete tragisch. Wir haben mit dem Theaterleiter Gabriel Sandini gesprochen: ›Der Staat hat seine Aufgabe nicht erfüllt, die Kulturschaffenden vor Fundamentalisten zu schützen. Ich sehe die Demokratie in Deutschland ernsthaft gefährdet. Mein Entschluss steht fest. Ich werde das Theater nicht wieder aufbauen.‹ 80 Jahre nach der Gründung des Theaters verliert Köln nun eine seiner traditionsreichsten Bühnen.«
Nach zehn Minuten Parkplatzsuche beschloss Heidi, bewusst im absoluten Halteverbot zu parken, um ihre Glaubenssätze zu brechen und damit ihrem Schicksal eine andere Richtung zu geben. Erhobenen Hauptes steuerte sie Josifs Büro an.
»Steht Ihnen sehr gut, das Kleid, Silvia.«
»Danke, Heidi, es wurde in Peru aus Biobaumwolle hergestellt. Und auch Sie sehen heute viel attraktiver aus ohne den Nerz. Ich habe übrigens zwei Artikel über den Massenmord an Pelztieren für Sie ausgedruckt.«
Silvia gab Heidi einen DIN-A4-Umschlag.
»Danke, ich werde sie lesen.«
Heidi setzte sich auf den pflegebedürftigen Sessel und steckte sich eine Zigarette an.
»Wie weit bist du, Josif?«
»Ich hoffe, weit genug. Aber nicht, was deinen Fall betrifft. Da habe ich noch nicht angefangen.«
Josif gab ihr Feuer. Dabei fiel ihm auf, dass die Swarovski-Steinchen von ihren Fingernägeln verschwunden waren.
»Hier sind alle Kölner Adressen, die in Jurijs Navi gespeichert sind.«
Sie gab Josif eine Liste, die er direkt an Silvia weiterreichte:
»Schaust du bitte in Google Maps nach.«
Er setzte sich zu Heidi.
»Wie geht es dir denn?«
Heidi inhalierte tief und atmete den Rauch in Kringeln aus.
»Ich komme mir vor wie ein Singvogel im goldenen Käfig.«
»Du kannst singen?«
»Du verstehst mich nicht.«
»Doch, aber ich zerfließe nicht vor Mitleid. Die Käfigtür ist offen, aber du willst nicht wegfliegen, ohne das Gold mitzunehmen.«
»Wenn man nicht geliebt wird, macht Geld auch nicht glücklich, Josif.«
»Kein Geld macht auch nicht glücklich, Heidi.«
»Die Suche nach dem Glück ist eine Zivilisationskrankheit. Im Wortschatz der Waimiri-Indianer gibt es für den Begriff Glück kein entsprechendes Wort«, mischte sich Silvia in das Gespräch ein, während sie weiterhin die Adressen aus dem Navi eintippte – sie war extrem multitask. »Die Suche nach dem Glück ist der Motor der kapitalistisch-patriarchalischen Gesellschaft, also direkt verantwortlich für die Unterdrückung und Ausbeutung der Natur, der Tiere und des Menschen durch den Menschen.«
»Ja«, sagte Josif, »Kapitalismus ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Im Sozialismus war es umgekehrt.«
Silvia schaute Josif vorwurfsvoll an.
»Josif, du machst dich über alles lustig. Es ist einfach nicht möglich, sich mit dir über wichtige Themen auseinanderzusetzen. – So, ich habe alle Adressen gefunden. Wollt ihr sie sehen?«
Josif und Heidi stellten sich hinter Silvia und schauten auf den Bildschirm.
Die erste Adresse war das »Samowar«.
»Ja, da gehen wir manchmal essen«, sagte Heidi. Die zweite Adresse war ein Ärztehaus am Neumarkt. Doktor Bronstein war Jurijs Zahnarzt. Die nächste Adresse war das Sülzer Theaterhaus, die vierte das Haus von Hans Pechstein in Marienburg.
»Bei Hans treffen wir uns ab und zu. Jurij hat mit Hans auch geschäftlich zu tun. In Russland bauen sie irgendwas gemeinsam, Einkaufszentren oder Shoppingmalls. Hans hat so was erwähnt. Und im Theater ist Jurij auch öfters, er ist Mitglied im Förderverein, spendet Geld und nimmt regelmäßig an Sitzungen teil.«
»Alles wie früher, die deutsche Kulturlandschaft wird vom KGB unterwandert.« Josifs Versuche, witzig zu sein, hatten bei den beiden Frauen heute überhaupt keinen Erfolg.
Die letzte Adresse war in Ossendorf. Es war eine alte Grundschule, in der jetzt der Privatclub »Das rote Ledersofa« untergebracht war.
»Jurij hat gestern beim Mittagessen telefoniert. Er tat so, als wäre es geschäftlich, und hat sich für heute Abend ›zur Klärung der Sachlage auf dem Sofa‹ verabredet. Josif, kannst du da bitte hingehen?«
»Heidi, ich kann unmöglich einem alten Kollegen hinterherschnüffeln.«
Heidi schniefte.
Silvia gab ihr ein Taschentuch und sagte:
»Der Psychologe, bei dem ich in Behandlung bin, macht auch Paartherapie. Soll ich ihn nach einem Termin fragen?«
Das war anscheinend nicht der richtige Vorschlag. Heidi begann zu schluchzen:
»Ich hätte nur gerne
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