Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
bekam ein seltsames Gefühl. Es hatte nichts mit den Sex- und Drogenorgien zu tun, die hier offenbar stattfanden, nichts mit den Foltergeräten, die überall herumstanden, und nichts mit der schweiß- und rauchgetränkten Luft. Es war eine diffuse Vorahnung, das intuitive Wissen, dass sein Leben bald aus den Fugen geraten würde.
Josif ging auf eine geschwungene Treppe zu, die am Ende der Halle nach oben führte. In der ersten Etage befanden sich die ehemaligen Klassenzimmer. Jedes Zimmer hatte einen eigenen Namen wie »Gomorrha«, »Sodom«, »Hexenkessel« oder »Teufelskralle«. An jeder Tür hing eine Lichttafel mit fünf Optionen, die man nach Belieben anknipsen konnte:
1. Besetzt! Eintritt verboten
2. Besetzt! Alle Besucher willkommen
3. Besetzt! Damen willkommen
4. Besetzt! Herren willkommen
5. Zimmer frei
Josif wollte sich ein Zimmer namens »Beichtstuhl« anschauen, bei dem »Zimmer frei« leuchtete, und trat ein. Doch das Zimmer war besetzt, es war wohl vergessen worden, den Schalter zu bedienen. Zuerst sah er einen Mann, der ihm bekannt vorkam. Nach drei Sekunden hatte sein trainiertes Hirn ihn identifiziert. Es war der Judas-Darsteller aus dem Theater, Manfred Stock. Er hielt eine Eisenstange in seiner Hand, die im After eines dicken Arsches endete. Josifs Blick wanderte vom Arsch über den behaarten Rücken zum dazugehörenden Kopf, der sich in dem Augenblick zur Tür drehte. Das Gesicht, das ihn mit zusammengekniffenen Augen ansah, kannte Josif sehr gut: Es war Jurij.
Der Pate der russischen Mafia. Stöhnend, schweißtriefend und mit einer Hundekette um den Hals. Ihre Blicke trafen sich. Josif konnte schlecht so tun, als hätte er ihn nicht gesehen. Er streckte Jurij die Hand entgegen und bemerkte zu spät, dass dessen Hände mit Handschellen an das Bettgestell gekettet waren.
»Hi Jurij. Wie geht es? Alles gut?« Josif klappte den ausgestreckten Arm wieder ein und kratzte sich beiläufig am Ohr.
»Sehrrr guut!«, stöhnte Jurij.
»Lange nicht gesehen«, sagte Josif und stellte sich aus Verlegenheit Manfred Stock vor:
»Ich bin Josif Bondar.«
»Geiler Name. Manfred«, sagte Manfred und bewegte nicht besonders vorsichtig die Stange weiter hin und her.
»Ja … also … bis später. Man sieht sich.«
Josif ging aus dem Zimmer und verließ das Etablissement, so schnell er konnte. Auf der Straße rief er Heidi an:
»Heidi, ich weiß jetzt, mit wem Jurij dich betrügt.«
»Wie heißt sie?«
»Sie heißt Manfred und ist wirklich ein ganz anderer Typ als du.«
4
Auszüge aus dem Verhörprotokolle und der Gegenüberstellung von Klaus Schiffenbusch und Volker Schellsicks
Wendel: Herr Schiffenbusch, geben Sie zu, gedroht zu haben, das Sülzer Theaterhaus anzuzünden?
Schiffenbusch: Das ist die Teufelsfalle, in die ihr Ungläubigen mich hineinlockt. Gut! Nehmt mich als Sündenbock. Mit Freude gehe ich den Leidensweg, den schon mein Bruder … ja … Macht mir den Prozess. Ich werde für eure Sünden leiden und euch befreien. Ich lade die ganze Schuld auf mich. Ich gebe alles zu.
Wendel: Herr Schiffenbusch, kennen Sie Volker Schellsicks, den Mann, der Ihnen gegenübersitzt?
Schiffenbusch: Nein.
Wendel: Herr Schellsicks, ist das der Mann, der Sie beauftragt hat, das Theater anzuzünden?
Schellsicks: Ja … Ich glaube ja.
Wendel: Herr Schiffenbusch, sind Sie sicher, dass Sie diesen Mann nicht kennen?
Schiffenbusch: Ich sehe ihn zum ersten Mal. Wer bist du, mein Sohn, und woher kennst du mich?
Schellsicks: Du hast mir Geld gegeben, damit ich das Theater abfackele.
Schiffenbusch: Verstehe. Du bist ein armer Sünder und hast deine Seele für ein paar Münzen verkauft. Verraten wegen …
Wendel: Herr Schellsicks, sind Sie absolut sicher, dass das der Mann ist, der Sie beauftragt hat, das Theater anzuzünden?
Schellsicks: Ich glaube ja.
Babbel: Glauben tut man in der Kirche. Ist er das?
Schellsicks: Es war dunkel …
Babbel: Ja oder nein?
Schellsicks: Ja.
5
Hans Pechstein kam persönlich bei Josif vorbei, um das DNA-Ergebnis abzuholen. Der Test war positiv. Der kleine Max war also wirklich Pechsteins Enkel.
»Ich danke Ihnen, Herr Bondar. Sie haben gute Arbeit geleistet.«
Pechstein übergab Josif einen Briefumschlag mit 9000 Euro.
»Danke. Setzen Sie sich. Möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein, danke. Ich habe wenig Zeit und komme gleich zur Sache.«
Pechstein blieb stehen.
»Ich hätte einen neuen Auftrag für Sie. Mein Sohn Christian ist vorsätzlich umgebracht worden. Es war kein
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