Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
tot.« Judith löst sich aus der Umklammerung, schaut zu ihr hoch und fragt: »Kann man da nichts mehr machen?«
»Judith, bist du noch da?«
»Was musst du mir gestehen, Josif?«
»Es ist etwas Dummes passiert, was ich eigentlich immer vermeiden wollte …«
Judith bekam Gänsehaut und spürte einen dumpfen Schmerz in der Brustgegend. Trotzdem versuchte sie, am Telefon rational zu bleiben.
»Fremdgegangen?«
»Schlimmer.«
»Du hast dich verliebt.« Sie spürte, dass die Tränen wie feindliche Soldaten unaufhaltsam von der Brust durch die Kehle in die Augen krochen.
»Schlimmer. Wir arbeiten am selben Fall. Ich habe einen Auftrag von Pechstein angenommen. Bin im Toscanini bei der Arbeit. Ich rufe dich später an.« Josif legte auf.
Die feindliche Armee hatte ihre Augen erobert. Aber es waren gute Soldaten, die nicht nur besetzten, sondern vor allem befreiten.
»Ach ja, du bist Inder. Hätte ich mir denken können. Jan Babbel heißen dort doch alle.«
»Bin bei der Mama aufgewachsen.«
Jan köpfte das weich gekochte Ei.
»Scheidungskind? Ich auch. Wie alt warst du, als sie sich getrennt haben?«
» Minus drei.«
»Was?«
Jan legte das Messer weg. Irgendwie hatte er heute keinen Hunger.
»Mama war im sechsten Monat schwanger, da hat er Angst vor mir bekommen und ist abgehauen.«
»Ich war acht. Ein Jahr später hat sie den Neuen geheiratet.«
»War er nett?«
»Er war ein Schwein.« Sie schaute auf ihren Teller.
»Hat er dich geschlagen? Soll ich ihn verhaften?«
Nina sagte nichts. Sie war damit beschäftigt, ein Basilikumblättchen mit der Gabel aufzuspießen. Sie hatte Tomaten mit Mozzarella gegessen. Jan hatte bereits in Erfahrung gebracht, dass Nina Vegetarierin war, aber ab und zu auch gern Sushi aß. Er überlegte, wie er sie am geschicktesten zum Sushiessen einladen könnte.
»Habt ihr schon den Typen, der falsch ausgestiegen ist, gefunden?«
»Jupp.«
Nina war sichtlich erleichtert, ein anderes Thema gefunden zu haben.
»Wer war es denn?«
»Darf ich dir nicht sagen.«
»Bitte, bitte! Vielleicht kann ich mich an ihn erinnern und euch helfen, den Falschaussteiger auf den elektrischen Stuhl zu bringen.«
»Das … das ist eine gute Idee. Ich lade dich als Zeugin vor. Du kriegst den Verdienstausfall ersetzt, und wir trinken einen Kaffee zusammen.«
»Cool, Kaffee auf Staatskosten!«
»Volker Schellsicks heißt er.«
»Ja, der hat bei mir den Wagen abgeholt! So ein blonder Ossi mit Zopf, ein unangenehmer Kerl. Ich erinnere mich genau! Das war schon seltsam, weil der Typ, der für ihn reserviert hat, keine Adresse oder Telefonnummer hinterlassen wollte.«
»Der Typ, der für ihn reserviert hat? Kannst du dich vielleicht an den Namen erinnern?«
»Ja, ja, warte mal … so ein amerikanischer Name … wie der Präsident.«
»Barack Obama?«
»Nee, irgend so was wie Bush. Ja, Sheriff Bush oder so.«
»Schiffenbusch?«
»Ja, genau! Schiffenbusch.«
»Super! Das ist super, Nina, dass du weltpolitisch so gebildet bist.«
Jan griff nach seinem Handy, um Judith anzurufen.
»Du hast uns echt geholfen.«
»Krieg ich trotzdem einen Kaffee auf Staatskosten?«
»So ein wichtiger Zeuge wie du? Hey, du glaubst gar nicht, was du alles kriegen kannst.«
10
Am Abend zuvor hatte Silvia bei Anna Hiller angerufen, sich als Schülerin ausgegeben und um ein Interview für die Schülerzeitung gebeten, Thema: »Deine Berufswahl – eine Kölner Schauspielerin stellt sich vor«.
Als Treffpunkt hatten sie das Toscanini für den nächsten Tag um 11.30 Uhr vereinbart. Anna war pünktlich. Bondar, der sie im Auto abgepasst hatte, ging gleich hinterher. An einem langen Holztisch saßen sie sich nun gegenüber.
Josif trug seinen weißen Guccianzug, ein knalliges gelbes T-Shirt und einen blauen Seidenschal. Aus der Innentasche holte er Notizblock und Bleistift hervor und begann, ein Gedicht auf Russisch zu schreiben. Er flüsterte Worte vor sich hin, suchte verzweifelt nach dem passenden Reim, warf hilfesuchende Blicke gen Himmel. Gerade schien er das richtige Wort gefunden zu haben, da kam der Kellner und sprach ihn an. Josif zuckte zusammen: »Einen Wunsch? Ja, bitte eine Flasche Prosecco.«
Anna bestellte einen Milchkaffee. Sie schaute dem »suchenden Dichter« interessiert zu. Der kleine Max, der auf ihrem Schoß saß, war dem seltsamen Onkel gegenüber eher misstrauisch und fing an herumzuquengeln. Der »Dichter« versuchte mit dem Kind Kontakt aufzunehmen, winkte ihm zu, sagte »Gu, gu, gu« und
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