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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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anzunehmen? Besonders, nachdem drei von ihnen sich monatelang in einem beschissenen Callcenter die Scheißseele aus dem Leib geplackt hatten, um es sich leisten zu können? Das war nicht schwer zu erklären. Da brauchte es nur hin und wieder eine E-Mail, die vorgab, aus Bangkok oder Macchu Picchu zu kommen, und ein nicht zurückverfolgbares, umgeleitetes Ferngespräch. Selbst wenn die grottenschlechten Phantombilder oder die verwaschenen Sequenzen irgendwelcher Überwachungskameras, auf denen sie in ihren Verkleidungen auftauchten und überall in der Boulevardpresse zu sehen waren, irgendwen an sie erinnern sollten, würde der doch den Gedanken gleich wieder abtun. Schließlich wussten alle, dass Susan und Brian in Kerala waren (oder war es Mumbai gewesen?), und warum um alles in der Welt sollten die beiden auch junge Frauen in Wäldern aufknüpfen? Jetzt war die andere Fußfessel an der Reihe. Sie zog und zog daran und wollte gar nicht wieder aufhören. Also gut, jetzt reicht’s. Hör verdammt noch mal damit auf, und zwar sofort.
     

37
    Ein weiterer Anruf auf seinem Handy leitete Jacobson ins Krankenhaus um, bevor er das Präsidium erreichte. Perry Harrison hatte das Bewusstsein zurückerlangt und war wahrscheinlich nicht mehr in akuter Gefahr. Wieder schalteten sie das Blaulicht ein, aber Jacobson kam dennoch zu spät. Harrison war zurück in seinen Genesungsschlaf gefallen und durfte laut ärztlicher Anweisung keinesfalls geweckt werden. Jacobson fragte die Schwester, ob er nach dem Aufwachen etwas gesagt habe. Ja, das habe er, aber nur unverständliches Durcheinander, mehr oder minder irre. Das sei allerdings nicht ungewöhnlich oder komme unerwartet, erklärte sie ihm. Beim nächsten Aufwachen sei er sicher schon mehr compos mentis. Oder dann beim dritten Mal. Jacobson rauchte eine B&H auf der schnellen Fahrt durch die Stadt, fragte natürlich vorher seine uniformierten Chauffeure und sorgte dafür, dass er keine Asche im lobenswert sauberen Wageninneren verstreute. Er kam gerade in den Einsatzraum, als der Website-Sturm über sie hereinbrach.
    »Sehen Sie sich das an, Frank«, sagte Kerr und zog ihn förmlich an den nächsten Computer. »Sie haben die Alice-Banned-Website gekapert und eine E-Mail an die Medien verschickt, damit alle Bescheid wissen.«
    Kerr zeigte ihm die relevanten Seiten. Alle Filme, die die Bande verschickt hatte, konnten angesehen und heruntergeladen werden. Das »Manifest« zum Film von Donnerstagnachmittag war ebenfalls als pdf-Datei verfügbar.
    »Sonst noch was?«, fragte Jacobson.
    »Oh, ja, das kann man sagen«, antwortete Kerr und klickte eine weitere Seite an.
    Jacobson starrte auf das, was wie eine Live-Einspielung wirkte: January Shepherd, immer noch mit ihren Fußfesseln und in dem orangefarbenen Overall. Sie saß auf dem Rand einer nackten Matratze und schluchzte laut. Die Kamera fuhr näher heran: Tränen strömten über Januarys Gesicht, und ein Auge mit aufgeplatzter Braue war böse angeschwollen.
    »Ist das live?«, fragte Jacobson.
    »Da fragen Sie besser den Experten«, sagte Kerr und deutete auf Steve Horton.
    Jacobson hatte den Computerspezialisten noch gar nicht bemerkt, sah aber jetzt, dass er vor dem Hauptcomputer des Einsatzraums saß und hektisch auf die Tastatur einhackte.
    »Nein, das ist nicht live«, sagte Horton und blickte kurz zu ihnen herüber. »Das wäre ein viel zu großes Risiko. Es ist eine vier Minuten lange Schleife, die sie auf die Website geladen haben und die sich ständig wiederholt. Sie haben die Website geknackt, ihre Daten hochgeladen und sich sofort wieder aus dem Staub gemacht. Dabei werden sie auch gleich das Administratoren-Passwort geändert haben, und natürlich haben sie ihren Zugangspfad anonymisiert.«
    »Aber wie sind Sie da überhaupt hineingekommen?«, fragte Jacobson und hoffte darauf, dass Hortons Antwort diesmal auch für einen Computerlaien wie ihn verständlich war.
    »Entweder haben sie das System-Passwort von January Shepherd, falls sie es wusste, oder es ist ihnen gelungen, es auf eine andere Art zu entschlüsseln.«
    Jacobson sah das angeschwollene Auge der Musikerin wieder vor sich und vermutete, dass wohl Ersteres der Fall war.
    »Wenn Sie sich erst mal als Administrator auf einer Website eingeloggt haben, können Sie da im Prinzip frei schalten und walten«, sagte Horton.
    Jacobson rief Nick Bishop auf dessen Handy an.
    »Ich wollte Sie gerade auch anrufen«, sagte Bishop, und seine Stimme zitterte wie in Panik. »Die

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